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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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nicht überrumpeln.«
    »Es ist Ihnen trotzdem gelungen. Ich … bitte, Henry, ich muss gehen. Sie hören von mir.« Abrupt drehte sie sich um und war binnen Augenblicken in der Menge untergetaucht. Der Rothaarige sah ihr mit gerunzelter Stirn nach, dann wandte er sich an Henry.
    »Sehr erfreut, Mr Farnell«, sagte er. »Ich bin übrigens der Ehemann dieser Dame. Bertrand Burdett, Baron of Talbury. Ich würde mich gern länger mit Ihnen unterhalten, aber Sie sehen ja, Ihre alte Freundin lässt man besser nicht allzu lange aus den Augen.« Interessiert blickte er Henry an. »Sie kennen Leah schon lange?«
    Henry nickte. »Wir sind gemeinsam nach Singapur gereist. Damals war sie noch ein ungestümes junges Mädchen.«
    Ein jungenhaftes Grinsen zeigte sich auf dem hageren Antlitz des Mannes, das Henry für ihn einnahm. »Ungestüm ist sie noch immer«, sagte er. »Aber ich muss jetzt wirklich los. Bitte, beehren Sie uns bald. Ich brenne darauf, Sie kennenzulernen.«
    Er war kaum fünf Schritte entfernt, als Henry etwas einfiel. »Friedrich ist tot!«, rief er Burdett nach. »Ich habe es heute erfahren. Bitte sagen Sie es Leah.«
    Burdett signalisierte mit erhobener Hand, dass er verstanden hatte, dann verschwand auch er.
     
    Sommerliches Zwielicht senkte sich über die Stadt, als Henry und Oscar ihre Wohnung betraten. Oscar rannte in sein Zimmer und schlug die Tür mit einem Knall hinter sich zu. Eigentlich durfte er dem Knaben ein derartiges Verhalten nicht durchgehen lassen, doch Henry schwirrte der Kopf nach den Vorfällen und schlechten Nachrichten der letzten Stunden.
    Er hatte sich kaum in sein Lesezimmer zurückgezogen, als jemand wie ein Besessener an die Wohnungstür hämmerte. Henry und der Diener erreichten die Tür gleichzeitig. Henry öffnete. Zu seinem Erstaunen stürmte Amelias Kammerzofe herein.
    »Ich soll Sie holen, Master Farnell. Milicent geht es nicht gut. Der Arzt sagt, es sei die Schwindsucht.«
    * * *
    Sie legten den Weg zum Hotel schweigend zurück. Leah war froh, dass Bertrand den Eklat nicht ansprach, sondern lediglich ein unergründliches Lächeln zur Schau trug. Sie war noch immer aufgebracht über die Bemerkung eines der Wissenschaftler, der sich zu der leider allgemein akzeptierten Meinung bekannte, das weibliche Gehirn tauge nicht zu wissenschaftlicher Arbeit. Seit Jahren bot Leah den Londoner Verlegern vergeblich ein Manuskript an, in dem sie die Ergebnisse ihrer jahrelangen Arbeit zusammengefasst hatte, doch niemanden interessierte die Meinung einer Frau. Dabei stützten ihre Beobachtungen und Thesen die von Wallace und Darwin – Männer, die Leah aus tiefstem Herzen verehrte, wenn auch Wallace ein wenig mehr. Es ärgerte sie noch immer, dass Charles Darwin ihrem alten Bekannten zuvorgekommen war und nun allein den Ruhm einheimste. Nach ihrer Auffassung gebührte er beiden Männern zu gleichen Teilen.
    Als sei das alles noch nicht genug, war plötzlich Henry aufgetaucht. Sie zog seine Karte hervor und studierte sie mit gerunzelter Stirn. Sein Auftreten in Burlington House, seine feine Kleidung und nun die geschmackvolle Karte verrieten ihr, dass er es weit gebracht hatte, was sie nicht verwunderte. Henry hatte es nie an Zielstrebigkeit, Intelligenz und Durchsetzungsvermögen gefehlt. Johannas Antlitz tauchte vor ihr auf. Hätte die Schwester doch nur Henry Farnell geheiratet! Alles wäre anders gekommen.
    Bertrand räusperte sich. »Mr Farnell bat mich, dir mitzuteilen, Friedrich sei gestorben. Er habe es heute erfahren.«
    »O nein!«
    »Stand dir dieser Friedrich nahe?«
    »Ganz im Gegenteil. Hat Henry … Mr Farnell berichtet, wie Friedrich zu Tode gekommen ist?«
    Bertrand schüttelte den Kopf. »Nein, es blieb keine Zeit. Ich hoffe aber, dass er meine Einladung annimmt. Dann kannst du ihn fragen.«
    »Du hast ihn eingeladen?«
    »Ich dachte, du freust dich darüber.«
    Leah zerknüllte die Karte. Freute sie sich? Er war zu unvermittelt aufgetaucht, ein Bote aus der Vergangenheit, die sie abgestreift zu haben glaubte.
    »Vielleicht kommt er nicht«, murmelte sie und versank in Schweigen. Auch Bertrand verstummte, doch sie spürte seinen fragenden Blick auf sich ruhen.
    Später im Hotelzimmer, Leah hatte sich unter ihre Decke gekuschelt, setzte sich Bertrand neben sie auf die Bettkante.
    »War er es?«
    »Wer war was?«, fragte sie schläfrig.
    »Farnell natürlich.«
    »Ich verstehe immer noch nicht.« Obwohl sie müde war, setzte sich Leah auf und lehnte sich gegen das

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