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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Lily nichts von Johannas Bemühungen; ihre Enttäuschung wäre grenzenlos gewesen.
    Johanna holte einen Besen und fegte die Scherben zusammen. Sie hatte sich große Hoffnungen gemacht. Hermann leitete seit Camerons Abreise kommissarisch das Singapurer Haus von
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und hatte nach einer gründlichen Einarbeitungszeit auch Johannas Platz bei
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übernommen. Seit Monaten konnte sie sich ganz der Krankenstation widmen und war nicht mehr auf Lilys Anwesenheit angewiesen. Deshalb hatte sie noch im letzten November bei diversen medizinischen Fakultäten und Einrichtungen in Europa und Amerika angefragt, ob sie weibliche Studenten der Medizin akzeptierten. Hätte Lily irgendwo Medizin studieren können, es wäre ein Segen gewesen, auch für die Station. Leider weigerten sich viele Patientinnen, Doktor Welsh in ihre Nähe zu lassen. Die meisten Frauen, sowohl Europäerinnen wie Asiatinnen, besaßen eine verständliche Scheu, sich von einem Mann untersuchen zu lassen. Viele kamen gar nicht erst, weil ihre Eltern, Ehemänner oder Brüder es ihnen nicht erlaubten. Eine Ärztin würde vieles ändern.
    Daneben gab es noch einen anderen Grund: Hermann. Ginge Lily für einige Jahre nach Europa, würde er sich seine Heiratspläne vielleicht aus dem Kopf schlagen. Chee Boon Lee und sie hatten sich noch immer nicht dazu durchringen können, Lily über ihre Herkunft aufzuklären, und mit jedem verstrichenen Tag wurde es schwieriger. Glücklicherweise hatte Lily während der turbulenten Vorbereitungen für Dinahs und Roys Hochzeit mehr als einmal lautstark bekräftigt, dass sie niemals heiraten würde. Zumal, hatte sie spöttisch hinzugefügt, sie mit ihren dreiundzwanzig Jahren ohnehin eine alte Jungfer sei, die keiner mehr haben wolle. Dass Hermanns Bemühungen um sie einem anderen Quell als brüderlicher Zuneigung entsprangen, kam ihr nicht in den Sinn.
    Johanna trug die Scherben nach draußen und ließ sie mit leisem Bedauern in den Abfallkorb fallen. Viel war nicht mehr übrig von dem hübschen Service, das vor über fünfundzwanzig Jahren die lange Reise von Hamburg in den Fernen Osten angetreten hatte.
     
    Zwei Stunden später, die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, drückte sie die Tür zum Orchid Hospital auf, um ihre abendliche Runde durch die Räume zu machen. Im ersten Stock stieß sie auf Varsha, eine indische Witwe, die als Einzige ständig im Haus lebte, weil sie sonst keinen Platz auf der Welt hatte. Gerade beäugte sie kritisch einen Vitrinenschrank, in dem säuberlich aufgereiht Heilsalben und Kräuter, Jodtinktur, Karbol und Äther und andere Mittel auf ihren Einsatz warteten. Die Inderin hatte einen Fleck auf dem blitzblanken Schrank entdeckt und wischte ihn sorgfältig fort. Johanna lächelte in sich hinein. Die Krankenstation war von Anfang an ein Muster an Sauberkeit gewesen, doch seit Lily Robert Kochs Ausführungen über Bakterien sowie Joseph Listers Schriften zur antiseptischen Wundbehandlung gelesen hatte, wurden selbst die Aborte täglich mehrfach gereinigt, und das regelmäßige Händewaschen mit Karbollösung gehörte zur Pflicht aller im Haus Arbeitenden. Johanna hielt die Krankenstation für den saubersten Ort im Umkreis von Tausenden Kilometern. Selbst die Kakerlaken mieden das Haus. Die Schrecken neumodischer Hygienevorstellungen mussten sich in ihren Kreisen herumgesprochen haben.
    Nachdem sich Johanna vergewissert hatte, dass es den Patientinnen im Schlafsaal an nichts mangelte, wechselte sie einige Worte mit der Nachtschwester und begab sich wieder ins Erdgeschoss. Leise schob sie die Tür zum Unterrichtsraum auf, aus dem schon bei ihrem Eintreffen ein Murmeln gedrungen war. Da der Abend ruhig verlief, nutzte Lily die Gelegenheit, die beiden neuen Schwesternschülerinnen, eine Chinesin und eine Eurasierin, zu unterrichten. Die jungen Mädchen hingen gebannt an Lilys Lippen, die ihnen die Anatomie des weiblichen Körpers anhand einer großen Schautafel erklärte. Lily hatte das zeichnerische Talent ihrer Mutter geerbt und fertigte die Schautafeln selbst an, wohl wissend, dass sie sich damit hart am Rand der Schicklichkeit bewegte. Glücklicherweise hatten bisher alle Krankenschwestern Stillschweigen über die skandalösen Bilder bewahrt, die den Fortbestand der Station gefährden konnten.
    Lily nickte Johanna zu, fuhr aber in ihren Erläuterungen fort. Johanna setzte sich auf einen freien Stuhl und musterte Lily. Trotz des einfachen Kleides mit der blendend weißen

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