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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Außer uns beiden, Onkel Koh und Boon Lee ist niemand eingeweiht.« Johanna stieß das Gartentor auf und trat eilig in den von Fackeln erleuchteten Garten.
    »Da sind sie.« Mercy wies auf einen etwas abseits stehenden Tisch, an dem Amelia und einige europäische Damen saßen, allesamt Frauen, die nicht zu Mercys oder Johannas Freundeskreis gehörten, die man aber nicht verprellen durfte. Vor allem ihre Ehemänner nicht, Kolonialbeamte, Bankdirektoren, Händler. Lily hockte verloren zwischen ihnen, ohne zu wissen, wie sie sich der Aufmerksamkeit entziehen sollte.
    Johanna folgte in Mercys Windschatten zu dem Tisch, wo sie sich ungefragt dazusetzten.
    »Oh, die Gastgeberinnen persönlich«, sagte Amelia. »Wir befürchteten schon, an diesem Abend ganz auf Ihre Gesellschaft verzichten zu müssen. Es sind ja durchaus Leute geladen, die darauf angewiesen sind, an die Hand genommen zu werden. Feine Manieren sind nicht jedem in die Wiege gelegt.«
    »Da haben Sie wohl recht, liebe Mrs Farnell«, sagte Mercy zuckersüß. »Es ist wirklich unverzeihlich, dass ich bisher so wenig Zeit für Sie gefunden habe.«
    Das saß. Am Tisch machte sich gespannte Stille breit, während Amelia um Fassung rang.
    »Ah«, sagte sie schließlich gedehnt, »es ist natürlich jedem überlassen, mit wem er Umgang pflegt. Man gesellt sich eben gern zu Gleichen, nicht wahr?« Johanna erschrak über die Eiseskälte in Amelias Stimme.
    »Lass es gut sein«, zischte sie der Freundin zu, doch Mercy war zu sehr in Rage.
    »Ja, allerdings«, sagte sie schneidend. »Meine Freunde zeichnen sich durch Charakterstärke, Herzensgüte und Klugheit aus.« Sie holte tief Luft. »Und natürlich müssen sie aus guten Familien stammen.«
    »Ah, die große Kultur der Gelben, ich vergaß.«
    »Kultur, meine Liebe?«, fragte Mercy lauernd, während Johanna den Schlagabtausch mit zunehmender Besorgnis verfolgte. »Mich würde wirklich interessieren, was Sie davon verstehen.«
    Amelia explodierte. »Sie wagen es, mir Kulturlosigkeit zu unterstellen? In meinen Kreisen sucht man sich jedenfalls untadelige Freunde.« Sie wies auf Lily und öffnete den Mund, um eine giftige Bemerkung zu machen, wurde jedoch unterbrochen.
    »Es reicht, Mrs Farnell.« Der tiefe Bass ließ alle herumfahren. Ross Bowie trat in den Lichtkreis ihres Tisches und legte die Hände auf Lilys Schultern.
    »Dieser Dame werden Sie, Mrs Farnell, niemals das Wasser reichen können«, sagte er gefährlich ruhig. Er nickte Mercy und Johanna zu. »Und auch diesen beiden nicht. In Ihrer hochmütigen Ignoranz übersehen Sie, welch große Dienste die Damen von Trebow dieser Stadt leisten.« Sein Blick wanderte über die indigniert dreinschauenden Frauen. »Miss von Trebow, Sie haben es nicht nötig, sich mit diesen nichtsnutzigen Damen abzugeben.« Widerstandslos ließ sich Lily von Bowie aus dem Stuhl helfen. Die beiden waren schon einige Schritte entfernt, als sich Bowie noch einmal umdrehte.
    »Johanna, Mercy, nun kommen Sie schon. Lassen Sie sich nicht das Fest verderben.«
    * * *
    Obwohl am nachtschwarzen Himmel noch Sterne standen, war Leah bereits hellwach. Sie setzte sich leise auf, um Bertrand nicht zu wecken, der den frühen Morgenstunden im Gegensatz zu ihr nichts abgewinnen konnte. Leah hätte Angst, etwas zu verpassen, pflegte er zu scherzen. Wie recht er hatte.
    Bevor sie das Bett verließ, hauchte sie einen Kuss auf seine Stirn. Wie nicht anders zu erwarten, rührte er sich nicht. Sie stand auf und klaubte die achtlos auf den Boden geworfene Kleidung zusammen. Die Tropen haben verjüngende Wirkung auf uns, dachte sie, als sie sich den Sarong umband und eine lockerfallende, mit ornamentalen Stickereien verzierte Kebaya-Bluse überstreifte. Seit langem hatten sie und Bertrand nicht mehr solch eine leidenschaftliche Nacht verbracht wie die letzte. Barfuß tappte sie zur Tür und die Treppe hinunter. Bei jedem Kontakt ihrer Fußsohlen mit den glatten, warmen Holzdielen hätte sie jubeln mögen. Es waren Kleinigkeiten wie diese, nach denen sie sich gesehnt hatte.
    Nach einem erfrischenden Guss aus dem Mandi schlüpfte sie in die Küche, aß eine Banane und eine Handvoll kalten Reis und beschloss, die Zeit, bevor ihre Lieben aufwachten, für einen Spaziergang zu nutzen.
    Sie durchquerte gerade den Wohnraum im Erdgeschoss, als ein Knarren der Treppe sie innehalten ließ. Im Zwielicht erkannte sie die schlaksige Gestalt ihres Sohns. Bereits angekleidet sprang er ungestüm die letzten Stufen

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