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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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so blieb er doch nur ein Chinese und war somit als Ehemann für Leah indiskutabel.
    Leah. Seine ungeliebte Schwägerin hatte ihn düpiert und in eine unmögliche Situation gebracht. Er würde sie schnellstmöglich verheiraten. An einen Mann, der so weit fort wie möglich wohnte. Friedrichs Wut flackerte erneut auf, als er sein geschwollenes Lid betastete. Sie hatte ihm gestern Abend tatsächlich ein blaues Auge verpasst und zu allem Überfluss mit ihrem aufsässigen Verhalten für Unfrieden zwischen ihm und seiner Frau gesorgt. Anstatt ihm zur Seite zu stehen, hatte ihm Johanna den ganzen Abend Vorwürfe wegen seines harten Durchgreifens gemacht. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie Leah umgehend aus ihrem Zimmer befreit und sie zurück zu ihrem Liebhaber gehen lassen.
    Endlich zügelte der Kutscher sein Pferd. Bevor Friedrich aus der Kutsche steigen konnte, öffnete sich die Tür des Hauses, und Chee Boon Lee trat heraus. Er war in einen hellen Anzug nach westlichem Schnitt gekleidet und trug Lederschuhe. Selbst einen Spazierstock mit einem Elfenbeinknauf hatte er bei sich, jeder Zoll ein Gentleman. Lediglich seine Gesichtszüge und der dicke schwarze Zopf störten die ansonsten makellose Erscheinung. Friedrich hatte hin und wieder geschäftlich mit Boon Lee zu tun und war bisher gut mit ihm ausgekommen, doch heute versetzte ihm das blendende Aussehen und selbstbewusste Auftreten des anderen einen Stich.
    Der Sohn des Alten Chee hatte ihn nicht bemerkt und wandte seine Schritte in die entgegengesetzte Richtung. Friedrich stieg aus und sah ihm hinterher. Wenn es Gerechtigkeit auf dieser Welt gab, musste dieser junge Geck tief fallen.
    Sobald Friedrich die Stufen zum Haus hinaufstieg, öffnete sich die Tür wie von Zauberhand. Er hatte noch vor dem Frühstück einen Boten zum Alten Chee gesandt und wurde bereits erwartet. Ein Diener in einfacher chinesischer Tracht verbeugte sich tief und bat ihn herein.
    Die Thia Besar, die Empfangshalle, war nicht sonderlich groß, doch prächtig eingerichtet. Schwere, mit Perlmutt-Intarsien verzierte Stühle reihten sich an den mit feinsten Seidenstickereien behängten Wänden, auf dem Hausaltar standen Porzellangötzen und wertvolles Geschirr in den von den Baba-Chinesen so geliebten Pastellfarben. Schränkchen und Lampen in erlesener Qualität vervollständigten das Ensemble, doch Friedrich schenkte dem Ganzen kaum Beachtung. Der Sichtschutz, der den privaten Bereich des Hauses vor neugierigen Blicken schützte, zog ihn magisch an. Der Diener hatte ihn allein gelassen, und so konnte er sich in Ruhe der Betrachtung der zum Teil vergoldeten, ungemein feinen Schnitzereien widmen. Vögel, so lebensecht, als würden sie gleich davonfliegen, tummelten sich auf knorrigen Ästen, ganze Heerscharen von Menschen, Tieren und Göttern marschierten durch stilisierte Berglandschaften.
    »Gefällt Ihnen die Schnitzarbeit?«
    Friedrich riss sich von der Abbildung einer Tigerin mit ihren Jungen los und streckte dem Alten Chee die Hand entgegen. »Ganz außerordentlich. Ich grüße Sie.«
    »Seien Sie willkommen in meinem Haus.« Der Alte Chee deutete eine Verbeugung an und ergriff dann zu Friedrichs Erleichterung dessen Hand. Er hätte nicht gewusst, wie er mit einem Affront umgegangen wäre. Unauffällig musterte er sein Gegenüber. Der Alte Chee sah beileibe nicht aus wie ein Greis. Er war von aufrechter Statur, die Muskeln schienen, soweit es unter der Jacke und dem Seidensarong zu erkennen war, kräftig. Friedrich wusste, dass er die fünfzig gerade überschritten hatte. Er rechnete es dem Chinesen hoch an, dass er sein blaues Auge mit keinem Wort, keiner Geste, nicht einmal einem Stirnrunzeln kommentierte. Vor ihm stand ein Mann der alten Schule, der seinen Unmut teilen würde.
    Und so war es auch. Nachdem Friedrich den Alten Chee von Leahs und Boon Lees Fehltritt in Kenntnis gesetzt hatte, verfiel der Chinese in Schweigen. Er bemühte sich um eine gleichmütige Miene, nur der angespannte Kiefer und die verengten Augen zeugten von schwer unterdrücktem Zorn. Friedrich lehnte sich zurück und wartete ab.
    »Sie sind ein Ehrenmann, also glaube ich Ihnen diese ungeheuerliche Geschichte«, sagte der Alte Chee schließlich mit ruhiger Stimme. »Es ist natürlich ganz und gar unmöglich, dass mein Sohn eine Europäerin heiratet. Ihre Schwägerin wird einsehen, dass diese Mesalliance ein Ende haben muss. Noch ist kein Tratsch aufgekommen und somit kein Schaden für den guten Ruf unserer Familien

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