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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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sie aufgegeben. Von ihm war bisher keine Zeile gekommen, und sie vermutete, dass seine Briefe ebenso abgefangen wurden wie die ihren. Ein Mann wie der Alte Chee besaß viele Möglichkeiten.
    Kein Windhauch brachte Erleichterung. Leah überlegte, ob sie sich wie die anderen zu einem Mittagsschlaf aufs Bett legen sollte. Sie entschied sich dagegen, entkleidete sich, wickelte einen Sarong um ihren Körper und ging zum Bad, einer separaten Hütte neben dem Küchenhaus, ausgestattet mit einem gemauerten Becken, das Lim jeden Morgen mit frischem Wasser aus dem Brunnen füllte. Sie goss sich mehrere Kellen Wasser über den Kopf und seifte sich ein.
    Traurigkeit überwältigte sie. Kein Tag verging, an dem sie nicht Boon Lees Hände auf ihrem Körper spürte, an dem sie sich nicht nach seiner Umarmung, seinem Lachen und der Tiefe seiner schwarzen Augen sehnte. Sie krümmte sich über das Bassin, klatschte voller ohnmächtigem Zorn mit den Händen auf die Wasseroberfläche und zerstörte ihr Spiegelbild.
    »Das ist es doch, was ihr wollt«, keuchte sie. »Mich brechen, mich verschwinden lassen.« Tränen traten ihr in die Augen, doch sie drängte sie zurück. Sie würde nicht klein beigeben. Niemals! In ihrem Mund breitete sich ein bitterer Geschmack aus, als sie an jene ersten Tage nach der Entdeckung ihres Fehltritts dachte. Fehltritt? Ha! Sie klatschte erneut auf das Wasser, wieder und wieder, hieb ihre Knöchel gegen die Badhauswand und fand Trost in dem körperlichen Schmerz, der so viel leichter zu ertragen war als der Schmerz in ihrem Herzen.
    Als sie genug gewütet hatte, wusch sie sich den Seifenschaum vom Körper. Sie fühlte sich wie jener Tiger, der in ihrem ersten Jahr in Singapur in einer Grube gefangen und in einem viel zu engen Käfig ausgestellt worden war. Energisch rieb sie sich trocken. Bald würde sie ihre Unabhängigkeit zurückerlangen, aber noch musste sie sich gedulden. Es war etwas geschehen, das sie für die nächsten Monate an Singapur fesselte.
    Sie hatte die Mutter nicht kommen hören. Leah war noch nackt, als die Tür aufsprang und sich helles Sonnenlicht über ihren Körper ergoss. Sie griff nach ihrem Sarong, doch es war zu spät. Kalkbleich stand Alwine Uhldorff in der Tür und starrte ihre Tochter an. Langsam streckte sie die Hand aus und zog den Wickelrock fort. Leah stemmte die Arme in die Seiten und stellte sich zur Schau. Mit einem Mal fühlte sie unbändigen Stolz. Sie hatten versucht, ihr alles zu nehmen, doch es war ihnen nicht gelungen.
    »Du bist schwanger«, flüsterte die Mutter. Sie schlug die Hände vor den Mund. »Schwanger«, jammerte sie. »Gibt es denn keine Schande, die du mir ersparst?«
    * * *
    Leahs Schreie hallten durchs Haus, so laut, dass sich Johanna am liebsten die Ohren mit Wachs verschlossen hätte. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihr eigenes Wochenbett und litt mit ihrer Schwester. Sie hatte ihr beistehen wollen, doch Leah hatte sie wortlos des Zimmers verwiesen. Selbst heute, acht Monate nach dem großen Eklat und fünf Monate nach der Entdeckung der Schwangerschaft, war sie nicht gewillt, Johanna zu verzeihen.
    Als die Mutter sie damals im August darüber unterrichtet hatte, Leah sei guter Hoffnung, hatte Johanna neuen Mut geschöpft, die Schwangerschaft möge die Schwester milder stimmen, doch es war anders gekommen. Leah, die seitdem das Grundstück nicht mehr verlassen durfte, damit niemand von ihrem Zustand erfuhr, hatte nur umso verbissener geschwiegen, während die Mutter und Friedrich hinter Johannas und Leahs Rücken in Erwägung zogen, die Dienste einer malaiischen Engelmacherin, deren Kräuterkunst in der ganzen Stadt berühmt und berüchtigt war, in Anspruch zu nehmen. Mit Schaudern erinnerte sich Johanna an den Streit zwischen ihr und den beiden, als sie von den verwerflichen Plänen hörte. Als Mörder hatte sie sie beschimpft, der Christengemeinde nicht würdig, und gedroht, in der ganzen Stadt herumzuerzählen, was unter dem ehrwürdigen Dach in der Waterloo Street vor sich ging. Ihre Mutter und Friedrich hatten sich erschrocken entschuldigt und beteuert, sie hätten es nur so dahergesagt und natürlich niemals in die Tat umgesetzt, doch Johannas Vertrauen in die ihr am nächsten stehenden Menschen war erschüttert. Sie hegte den Verdacht, dass die beiden auf eine Totgeburt hofften. Sie für ihren Teil schloss Leah und das Ungeborene jeden Abend in ihre Gebete ein.
    Auf Johannas Druck hin hatten sich Alwine Uhldorff und Friedrich schließlich

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