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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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gegen Leah erhoben hatte, war etwas kaputtgegangen. Nach Leahs Weggang hatten sie sich jedoch beide bemüht, den Riss in ihrer Ehe zu kitten. Es schien zunächst zu gelingen. Trotz aller Differenzen kümmerte sich Friedrich aufmerksam um sie, blieb ganze Tage dem Kontor fern, um mit ihr und Hermann Ausflüge zu unternehmen, und ihre Nächte waren voller Zärtlichkeit und Leidenschaft. Leider entsprang ihren Vereinigungen kein zweites Kind, sosehr sie es sich auch wünschten.
    Im Laufe der Monate verlor der Schmerz über den Verlust der Schwester seine Schärfe, und seit Johanna erfahren hatte, dass Leah lebte und sich in Amerika ein neues Leben aufbaute, war sie ruhiger geworden. Immer öfter erwachte sie mit Freude auf den neuen Tag, bis vor etwa drei Monaten abermals Wolken Friedrichs Gemüt zu verdunkeln begannen. Sie hatte ihn gefragt, ja angefleht, seine Sorgen mit ihr zu teilen, doch er wurde immer schroffer, je mehr sie in ihn drang. Schließlich traute sie sich kaum noch, ihn direkt anzusprechen, um keinen Wutausbruch zu provozieren. Von einem Tag auf den anderen verlor er das Interesse an ihr und sogar an seinem Sohn, reagierte ungeduldig, beinahe jähzornig auf jede Störung. Sie waren sich so fremd geworden, dass Johanna meinte, ihren Mann, die große Liebe ihres Lebens, nicht mehr zu kennen. Ein Fluch lastete auf ihr, dessen war sie sicher. Das Unglück folgte ihr auf Schritt und Tritt und riss nicht nur sie, sondern auch alle um sie herum in einen Abgrund.
    Mercy fing ihren Blick auf. Sie beugte sich über die Zwillinge und tätschelte ihre Wange. »Stimmt etwas nicht?«, raunte sie.
    Johanna schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen. Niemand, selbst Mercy nicht, sollte wissen, wie es um sie stand.
     
    Später standen sie mit den Robinsons vor der Kirche und tauschten Glückwünsche mit den anderen Gemeindemitgliedern aus, als Ross Bowie zu ihnen trat. Johanna hielt den Atem an. Friedrich und Ross waren sich ihrer Kenntnis nach immer aus dem Weg gegangen. Auch die anderen erstarrten. Umso überraschter waren alle, als Bowie ihnen in aufgeräumter Laune ein schönes Weihnachtsfest wünschte und freundliche Kommentare zu den properen Robinson-Zwillingen und Hermann machte. Als er dann auch noch Friedrich jovial auf den Rücken klopfte und sich mit den Worten verabschiedete, ihn in den nächsten Tagen zu einer geschäftlichen Besprechung in seinem Kontor zu erwarten, kannte die Verblüffung keine Grenzen mehr. Sobald Bowie außer Hörweite war, wandte sich Johanna an ihren Mann.
    »Du machst Geschäfte mit Ross Bowie? Seit wann?«
    »Seit ein paar Monaten. Was interessiert es dich?«
    Eine Menge, dachte Johanna, verkniff sich die Worte jedoch. Sie sah, dass Mercy vor Neugierde beinahe platzte. Auch Andrew Robinson und ihrer Mutter standen tausend Fragen ins Gesicht geschrieben, doch Friedrichs düsterer Gesichtsausdruck verbot jedes weitere Ausbreiten des Themas.
    Auf dem Heimweg richtete Mercy es so ein, dass sie und Johanna ein wenig hinter den anderen zurückfielen.
    »Was hältst du davon?«, fragte sie.
    »Wovon?«, fragte Johanna, obwohl sie genau wusste, worauf ihre Freundin hinauswollte.
    »Na, dein Mann und Ross. Natürlich ist es begrüßenswert, dass sie zivilisiert miteinander verkehren, aber gleich so? Geschäfte erfordern Vertrauen.«
    »Warum sollten sie einander nicht vertrauen? Friedrich und ich sind seit beinahe drei Jahren verheiratet. Bowie ist längst darüber hinweg. Außerdem hat er keinen Grund, Friedrich zu zürnen. Ich bin diejenige, die sich gegen ihn entschieden hat, ich allein.«
    »Ross hat sich verändert, seit du ihm den Laufpass gegeben hast. Für einen guten Handel geht er über Leichen. Nicht umsonst wird er immer wohlhabender. Er handelt mit allem, was es unter der Sonne gibt.«
    »Was willst du andeuten?«
    »Opium, Sklaven, Mädchen, was weiß ich?«
    Johanna blieb stehen. »Du meinst, Ross Bowie ist ein Menschenhändler? Und Friedrich ebenfalls?«
    »Gerüchte, liebste Johanna. Es sind nur Gerüchte. Aber an deiner Stelle würde ich ein Auge darauf haben, was Friedrich so treibt. Er gefällt mir schon seit einiger Zeit nicht mehr. Ist dir denn gar nicht aufgefallen, wie fahrig er oft ist, wie glasig sein Blick?«
    Johanna verschlug es die Sprache. Mercys Andeutungen waren unerhört, doch sie verkniff sich eine scharfe Antwort. Gehörte es nicht zu den Pflichten wahrer Freunde, dem anderen die Augen auch für das Unangenehme zu öffnen?
    * * *
    Leah streckte

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