Die Insel der Orchideen
gängigen europäischen Meinung fest, häufiges Baden sei ungesund. Einen Zusammenhang zu den überaus unangenehmen, juckenden Hitzebläschen, die durch übermäßiges Schwitzen und zu seltenes Waschen verursacht wurden, stellten sie nicht her. Als Leah anregte, alle Mitglieder des Hauses sollten sich mehrmals täglich kaltes Brunnenwasser über den Körper gießen, hatte man ihr rundheraus den Mund verboten. Sie hatte das Thema nie wieder angeschnitten. Es war nicht ihr Problem, wenn ihre Arbeitgeber es vorzogen, sich den lieben langen Tag zu kratzen.
Leah nahm einen Baumwollsarong und blickte an sich hinab. Sie trug nur ein leichtes, ärmelloses Unterkleid, aber für den kurzen Weg zum Mandi sollte es genügen. Sie entriegelte die Tür, trat in den Gang – und prallte direkt gegen den Hausherrn.
Erschrocken wich sie zurück und stieß schmerzhaft mit dem Rücken gegen den Türrahmen. »Entschuldigung«, stammelte sie.
Er schien ebenfalls überrascht, sammelte sich aber schnell. Interessiert glitt sein Blick über ihren Körper und blieb schließlich auf ihren nur von dünnem Stoff verhüllten Brüsten hängen. Leah raffte ihren Sarong schützend vor sich.
»Ich bin auf dem Weg zum Bad«, sagte sie, um einen freundlichen Ton ringend. »Bitte geben Sie mir den Weg frei.«
»Na, na, was denken Sie denn von mir?« Sein rosiges Gesicht mit dem blonden Schnauzbart verzog sich zu einem unangenehmen Grinsen, aber er rührte sich nicht und starrte sie weiter an.
Ärger wallte in ihr auf. »Was soll ich denn denken?«, zischte sie, alle Vorsicht außer Acht lassend. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie mir nachschleichen.«
Er trat auf sie zu und ließ ihr nur die Möglichkeit, einen Schritt ins Zimmer zurückzuweichen. Sofort folgte er ihr.
»Ich werde Sie anzeigen!«
»Wer hört schon auf eine Abenteuerin von zweifelhafter Herkunft?« Mit einem Ruck riss er den Sarong fort. Sein schwerer Körper schob sie in Richtung des Bettes, während er seine Lippen nahe an ihr Ohr brachte. »Ich habe deine Witwengeschichte nie geglaubt, also zier dich nicht. Wenn du hierbleiben willst, wirst du jetzt Ruhe geben, verstanden? Es soll dein Schaden nicht sein.«
Leah schrie, so laut sie konnte. Mijnheer van Vollenhofen versuchte noch, ihr den Mund zuzuhalten, aber da näherten sich schon eilige Schritte der Kammer. Er ließ umgehend von ihr ab und sprang zurück in den Flur, gerade rechtzeitig, um nicht von seiner um die Ecke stürzenden Frau in kompromittierender Situation gesehen zu werden. Bevor Leah zu ihrer Verteidigung ansetzen konnte, zeigte er mit dem Finger auf sie. »Ich dulde diese verderbte Person nicht mehr unter meinem Dach«, donnerte er. »Mit ihrer Schamlosigkeit bringt sie uns noch in Verruf!«
Leah war fassungslos. Mit wenigen Worten war es dem ekelhaften Kerl gelungen, alle Schuld auf sie zu wälzen; jede Erklärung ihrerseits würde fruchtlos bleiben, zumal er nicht einmal ausgesprochen hatte, was er ihr eigentlich vorwarf. Mittlerweile hatte Mevrouw van Vollenhofen die Kammer erreicht. Mehr denn je wirkte sie wie eine beladene Dschunke unter vollen Segeln. Stoff blähte sich um den üppigen Körper, Rüschen und Volants bauschten das Kleid. Mit einem Blick erfasste sie Leahs unziemlich verrutschten Ausschnitt, ihre wirren Haare und den hochroten Kopf. Wenn sie Zweifel an ihrem Gatten hegte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen entlud sie ihre ganze Wut über den Eklat, der vom eilig herbeigelaufenen Personal bereits sensationslüstern verfolgt wurde, auf Leah. Drohend baute sie sich vor der Tür auf.
»Sie verlassen sofort mein Haus!«, keifte sie. »Ich hätte wissen müssen, dass es ein Fehler war, Marijke und Geertje Ihrer Obhut anzuvertrauen.«
»Gar nichts wissen Sie!«, schrie Leah. Nun, da ihr Urteil ohnehin gesprochen war, drängten alle Widerworte, die sie in den letzten Monaten hatte schlucken müssen, mit Macht ihre Kehle empor. »Gar nichts! Ihr Gatte hat sich mir unsittlich genähert!«
Beide Ehegatten wollten die Kammer betreten, doch es gelang Leah, die Tür zuzuschlagen. Während von draußen Fäuste aufs Holz prasselten, ließ sie sich auf ihre Bettstatt fallen. Wie von ferne drang Mevrouw van Vollenhofens Gezeter zu ihr herein, sie möge in einer halben Stunde das Haus verlassen haben, sonst würde man sich genötigt sehen, offizielle Stellen einzuschalten.
Leah spürte Übelkeit aufsteigen. Auch wenn sie im Recht war, würde niemand ihr glauben. Sie
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