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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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»Sie war im Gegenteil nützlich, denn sie führt dazu, daß wir das volle Maß unserer Verantwortung erkennen. Kein Tüpfelchen davon können wir woanders hindelegieren – um nicht das schnöde Wort abwälzen zu gebrauchen. Wir sind direkt den RGW-Mitgliedern und allen befreundeten Staaten gegenüber verantwortlich für jeden Schritt, den wir tun. Ich bedanke mich für die Gelegenheit, das noch einmal sagen zu können.«

    Jeder Schritt, den ich anfangs tat, kostete mich große Anstrengung – ich meine, geistig. Ich hatte sogar das Gefühl, daß es nur winzige Trippelschritte waren. Abgesehen von meinem Besuch zu Haus und in meiner Dienststelle saß ich die folgende Woche über den Unterlagen der Storos. Nur beim Essen im gemeinsamen Speisesaal bekam ich mit, daß Werner Frettien und seine Wachleute mit Hilfe einiger Techniker das Sperrwerk so ausbauten, wie wir es besprochen und festgelegt hatten, und die neuen Anlagen und Schaltungen mit Erfolg testeten; merkte, daß das Haus immer belebter wurde; hörte, daß die Lastwagen mit dem Material, den Teilen der Storos und anderen Einrichtungen ankamen und vor dem Stollen entladen wurden. Fast mit Gewalt schleppten mich die Genossen zweimal zu einer wintersportlichen Unternehmung mit, aber sie hatten wenig Freude an mir, weil ich selbst auch wenig Freude an mir hatte. Ich hörte zwar, wie Horst Heilig die anderen über meinen Zustand zu beruhigen versuchte – laßt ihn, das ist der Typ, der sich durch eine Sache durchfressen muß –, aber das nützte mir wenig. Ich kam und kam mit diesem Material nicht zu Rande. Immer wenn ich glaubte, einiges begriffen zu haben, und dann den Plan in Angriff nehmen wollte, den der Professor von mir erwartete, merkte ich, daß mir eine Unmenge Einzelheiten im Kopf herumschwirrten, daß ich aber von der Struktur und Funktionsweise der Storos so gut wie nichts begriffen hatte. Alles in allem – es war ziemlich qualvoll. Ich entschloß mich schweren Herzens, das Wochenende über hierzubleiben und das Material noch einmal von vorn zu studieren. Ich bin von Natur aus etwas träge und habe jahrelang viel Mühe aufwenden müssen, aus mir einen fleißigen Menschen zu machen. Damals wußte ich schon, daß ich manches, was andere intuitiv und sozusagen mit leichter Hand machen, nur durch eine Art Bienenfleiß bewältigen konnte. Ich wußte um die Vorteile dieser Veranlagung – Zuverlässigkeit, Stabilität, Unabhängigkeit von äußeren Umständen; aber auch, daß sie eben manches Opfer erforderte. Immerhin war ich dabei wenigstens so glücklich zu wissen, daß Inge meine Beweggründe verstehen und billigen würde, selbst wenn ich ihr den konkreten Zusammenhang nicht erklären durfte.
    Zunächst schien es so, als hätte mir das Wochenende nicht viel weiter geholfen, und ich erschrak fast ein wenig, als am Montagmorgen der Professor zu mir ins Zimmer trat. Er wollte mich aber nur abholen zu den ersten Arbeiten an den drei Storos. Er halte es für wichtig, sagte er, daß jemand von unserer Gruppe dabeisei, und der Genosse Heilig sei ja in Moskau, und ich sei doch der wissenschaftliche Mitarbeiter der Gruppe. Er sagte das keineswegs ironisch, aber ich empfand es fast so – nach diesem Wochenende. Was er jedoch hinzufügte, verblüffte mich regelrecht. »Heute wird sich nämlich herausstellen«, meinte er und zwinkerte mir zu, wohl um das Gewicht seiner Worte zu mildern, »heute wird sich herausstellen, ob unsere Storos überhaupt funktionieren können!«
    »Ja, glauben Sie denn nicht…?«
    »Natürlich glaube ich«, sagte er fast heiter, »aber bisher ist alles nur Theorie, Berechnung, Blockschaltbild, wenn auch die Einzelteile überprüft und zusammengefügt sind. Aber ein Storo ist doch etwas anderes als eine beliebige Maschine, selbst als ein gewöhnliches Rechenwerk. Hier ist solche Komplexität erreicht, daß man den einzelnen Vorgang nicht mehr exakt beschreiben könnte, selbst wenn man noch so viel Arbeit darauf verwenden würde. Folglich kann man das Ganze auch nicht in dem Sinne exakt berechnen, wie beispielsweise die Statik einer Brücke oder die Programme eines determinierten Rechners. Bei einer Maschine, selbst bei einer herkömmlichen Rechenmaschine, ist die Herstellung im wesentlichen beendet, wenn sie nach den Konstruktionsunterlagen gebaut ist, es folgen nur noch einzelne Korrekturen, einzelne Teile werden noch mal bearbeitet oder ausgewechselt. Hier ist es umgekehrt: Wenn der Storo montiert ist, fängt die Arbeit erst an. Man

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