Die Insel der Roboter
ja, so könnte es gehen. Die genaue Ortung von Objekten ist im Wald nicht möglich, weil die Bäume den Schall zu sehr streuen. Aber darauf kommt es ja gar nicht so sehr an, es würde doch genügen, sagen wir, vier oder sechs Sektoren abzuhorchen. Worauf es vielmehr ankommt, ist, solche Geräusche festzustellen, die von Menschen verursacht werden. Und dazu brauchen wir kein Personal. Der Professor kann uns doch bestimmt ein kleines Perzeptron zur Verfügung stellen, das wir dahinterschalten, ohne Perzeptronik ist doch kein Roboter denkbar…«
»Was ist denn das schon wieder?« wollte Werner Frettien wissen.
»Ein Gerät, das Zeichen wiedererkennt, zum Beispiel Buchstaben, gleich in welcher Größe und Schriftart sie auftreten. Oder auch akustische Signale. Wenn wir dem Gerät Schritte im Schnee, knackendes Unterholz und noch ein paar charakteristische Geräusche eingeben, brauchen wir außer dem Wachhabenden niemand dazu. Am bedeutsamsten an diesem Gedanken erscheint mir, daß wir damit eine Warnanlage hätten, die von der ersten völlig unabhängig ist, denn hier wirkt wieder die Wahrscheinlichkeit…«
Werner Frettien hob entsetzt die Arme, aber Horst Heilig sagte: »Doch, rechnen Sie mal, es interessiert mich.«
»Gut, das geht schnell. Wir hatten vorhin für das Sperrwerk null Komma acht Prozent Wahrscheinlichkeit errechnet, daß einer durchkommt. Selbst wenn wir für die Horchanlage eine viel höhere Wahrscheinlichkeit annehmen – was noch zu prüfen wäre –, sagen wir mal, nur als Hausnummer, ein Zwanzigstel, dann multiplizieren sich die Wahrscheinlichkeiten, da die Ereignisse voneinander unabhängig sind. Null Komma acht Prozent mal ein Zwanzigstel sind – Moment – null Komma null vier Prozent, also vier von zehntausend oder einer von zweitausendfünfhundert Fällen. Rechnen Sie nach.«
»Ich glaub’s auch so«, sagte Werner Frettien. »Das ist ja nun wirklich fast so gut wie unmöglich, daß uns da einer entgeht!«
Horst Heilig klopfte seine Pfeife aus. Es wirkte irgendwie abschließend, wie er das tat, und er sagte dann auch: »Gut, Genossen, ich sehe, wir sind zu ersten Ergebnissen gekommen, und, was noch wichtiger ist, Sie haben sich zusammengerauft. Künftig ist darauf zu achten, daß es zwischen uns keinerlei Spannungen gibt.« Er wandte sich Werner Frettien zu. »Kein Aufbrausen und« – er sah mich an – »keine Spur von Gekränktheit. Es wird auch nichts zurückgehalten, keine Feststellung und auch keine Frage. Die Fahrt über haben Sie mich fragen wollen, was ich von dem Alarm halte. Ich habe Sie nicht ermuntert, damit Sie von den Tatsachen überrascht werden und dadurch lernen, Ihre falsche Zurückhaltung aufzugeben. Wir sind hier alle erfahrene und verantwortungsbewußte Arbeiter, jeder auf seinem Gebiet, keiner darf – auch nicht in Gedanken – dem anderen unterstellen, daß er Unsinn schwätzt, und keiner darf von dem anderen befürchten, daß er das denken könnte. Klar?«
Wir nickten beide.
»Ihre erste Aufgabe: Sie arbeiten gemeinsam alle Details für die Verbesserung des Sperrwerks aus. Mit Netzplan. Mit einem sehr straffen Netzplan. Sie können davon ausgehen, daß alle erforderlichen Geräte –« er schlug etwas in seinem Notizbuch nach – »bis morgen abend hier sind. Falls die Riechstoffe bei uns in der DDR nicht verwendet werden sollten, lassen wir uns die Formeln verschlüsselt übermitteln und stellen sie selbst her. Notfalls können wir auch ein paar Techniker vom Professor anfordern. Wann können Sie den Netzplan vorlegen?«
Werner Frettien und ich sahen uns an.
»Bis morgen abend«, sagte ich.
»Also bis morgen mittag«, entschied Horst Heilig. »Anschließend fährt Genosse Doktor Tischner nach Haus. Übermorgen regelt er die Übergabe in seinem Truppenteil und kommt abends zurück. Haben wir einen Wagen für ihn?«
»Ja«, sagte Werner Frettien.
»Gut. Noch Fragen?«
»Ja«, sagte ich. »Ich habe eine Frage. Hätte man den ganzen Komplex des Sperrwerks nicht vorher besser durchdenken können?«
Horst Heilig runzelte die Stirn.
»Wieso vorher? Es ist doch noch vorher, oder? Und wer, bitte schön, hätte das tun sollen?«
Im ersten Moment fühlte ich mich mißverstanden – aber dann begriff ich: Wirklich, wer hätte denn das tun sollen, wenn nicht diejenigen, die dafür verantwortlich waren, also wir!
»Trotzdem war die Frage nicht überflüssig«, sagte Horst Heilig, und wieder hatte ich das etwas unheimliche Gefühl, er könne meine Gedanken lesen.
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