Die Insel der Roboter
niemand über Fachsimpelei.«
»Wie groß würden Sie den Kreis schätzen, der dort verkehrt?« Nora Siebenstein zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Das kann ich wirklich nur vermuten. Vielleicht fünfzig bis sechzig Leute.«
»Und wie sind Sie dahingekommen?«
Nora lächelte. »Die FDJ-Leitung der Sektion hatte beschlossen, auch dahinzugehen. Massenverbindung. Ich war Mitglied der Leitung. Drei blieben für ständig. Ungefähr einmal in der Woche war ich da. Manchmal auch nur alle vierzehn Tage.«
»Gut.« Horst Heilig zog an seiner Pfeife. »Hat jemand gewußt oder konnte jemand wissen oder mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß Sie am zweiten Feiertag dort auftauchen würden?«
»Nein, bestimmt nicht. Ich habe mich spontan dazu entschlossen, dorthin zu gehen.«
»Wer war dort, als Sie kamen, und wer kam später dazu?«
»Sie meinen, ob das irgendwie von jemand organisiert war? Das kann ich mir nicht denken. Als ich hinkam, saßen da zwei Assistenten von Professor Gütlich und stritten sich über ein Thema aus der Funktionentheorie.«
»Hat das was mit uns hier zu tun?« unterbrach Horst Heilig.
»Gar nichts. Ich half ihnen beim Streiten, so gut ich konnte, und vielleicht eine halbe Stunde später kamen zwei aus meiner ehemaligen Arbeitsgruppe. Die brachten Manuel mit, der jetzt bei ihnen meinen Platz einnimmt.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Es war ganz lustig. Manuel machte mir Komplimente, mit südländischem Feuer, aber in verdrehtem Deutsch, so daß ich lachen mußte – ich glaube, er tat nur so, als ob er noch nicht richtig Deutsch konnte, um des Effekts willen. Die andern versuchten, ihn zu überzeugen, daß hier nicht der Platz dafür wäre, und er versprach auch hoch und heilig, das zu unterlassen. Die Debatte ging weiter, er hielt auch wacker mit, aber ab und zu streute er doch noch ein Kompliment ein, die andern fanden das schließlich lustig und wollten es nachmachen, aber sie brachten es nicht so gut. Als wir gingen, waren wir alle aufgekratzt. Ja, das war es eigentlich. Selbstverständlich habe ich über meine Arbeit kein Wort gesagt.«
»Und es hat auch niemand gefragt?«
»Nein. Bloß…«
»Ja?«
»Da sich der Kubaner doch etwas für mich interessierte, wird er wohl die beiden anderen hinterher gefragt haben, wo ich stecke.«
»Die drei sind zusammen weggegangen?«
»Ja, sie hatten so eine Art Patenschaft über ihn. Wohl während der Feiertage.«
»Und was werden sie ihm gesagt haben?«
Nora holte tief Luft und blies sie wieder aus. Ihre Lippen wölbten sich dabei.
»Wahrscheinlich«, meinte sie, »daß ich zu irgendeiner hochwichtigen Arbeitsgruppe abgezogen wurde, über die man nichts Näheres weiß.«
Horst Heilig dachte angestrengt nach. Er hatte die Beine übergeschlagen, die Arme über der Brust gekreuzt, in der einen Hand die Pfeife und schien förmlich in sich zusammenzukriechen. Nach drei geräuschvollen Zügen fragte er: »Wo wohnt dieser Manuel?«
»Keine Ahnung«, sagte Nora. »Ich hab’ doch schon gesagt, daß die drei zusammen weggingen.«
»Nicht doch, nicht doch!« winkte Horst Heilig ab. »So hab’ ich’s ja gar nicht gemeint. Wo könnte er denn wohnen?«
»Na – sicher doch im Ausländer-Internat. Wenn er Privatquartier hätte, dann hätten sie doch nicht diese Patenschaft praktiziert.«
»Ausländer-Internat«, wiederholte Horst Heilig gedehnt. »Kubaner. Hm.«
Dann stellte er offenbar fest, daß seine Pfeife ausgeraucht war, klopfte sie aus und ging zum Fenster.
»Wird es Ihnen zu kalt, wenn wir einen Augenblick lüften?«
»Nein, im Gegenteil«, antwortete Nora, »reißen Sie das Fenster tüchtig weit auf!«
Horst Heilig tat das. Der blaue Qualm wallte in Schwaden hinaus, eisige, frische Luft strömte herein. Er sah dem Rauch nach und sagte noch einmal: »Ausländer-Internat.«
Dann drehte er sich um und fragte mich: »Was meinen Sie dazu?«
»Hört sich alles zufällig und harmlos an«, sagte ich zögernd.
»Ja«, bestätigte Horst Heilig.
»Kann ich gehen?« fragte Nora Siebenstein und stand auf.
»Ja«, sagte Horst Heilig wieder. »-Ich habe nur noch eine Bitte.«
»Und die wäre?«
»Können Sie am nächsten Wochenende wieder in den Einstein-Klub gehen?«
Nora setzte sich wieder hin.
»Sie meinen, ich soll Ihnen helfen?«
»Ja, das meine ich.«
»Mit dem Kubaner anbändeln? Ihn aushorchen?« Nora schüttelte sich unwillkürlich.
»Nein, das meine ich nicht«, sagte Horst Heilig. »Ich meine, daß Sie zu
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