Die Insel der Roboter
allen, die sich um Sie bemühen werden und denen Sie dazu Gelegenheit geben, freundschaftliche Distanz halten – und ab und zu ein unbedachtes Wort über Ihre Arbeit fallenlassen, das wir aber hier vorher gut überlegt haben. Wären Sie dazu bereit?«
Nora zögerte.
»Überlegen Sie sich’s«, sagte Horst Heilig, »wir können später noch einmal darüber sprechen.«
»Schon überlegt«, sagte Nora.
»Und?«
»Ja.«
»Gründlich genug überlegt?«
Nora nickte.
»Es wind nicht leicht sein. Sie werden standhaft sein müssen.«
Nora schluckte. Es klang fast ein wenig bitter, als sie erklärte:
»Ich will Ihnen was sagen. Wenn man weiß, daß man den Männern gefällt, dann muß man sich frühzeitig entscheiden, ob man mit fünfzig noch jung oder schon mit dreißig alt sein will. Ich hab’ mich für das erste entschieden. Glauben Sie nicht, daß das manchmal viel Standhaftigkeit verlangt?«
Horst Heilig nickte. »Sonst hätte ich Sie nicht um Ihre Hilfe gebeten.«
»Gut. Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»So einfach ist das nicht«, sagte Horst Heilig und schloß das Fenster. »Wir sind nicht allwissend, und Sie sind kein blindes Werkzeug. Wir wollen das beraten. Aber vorher noch eins: Wenn der Punkt kommen sollte, wo es Ihnen zu schwer wird, gefühlsmäßig oder aus anderen Gründen, müssen Sie es sagen. Damit wir Sie da herausnehmen können.«
Sie nickte.
»Wir wollen überlegen. Wissen Sie, wir haben Grund zu der Annahme, daß der Gegner zum Teil mit jungen Ausländern arbeitet. Natürlich darf man Ihren Kubaner nicht ohne weiteres verdächtigen, ein Agent zu sein, nur weil er Sie sympathisch findet. Aber ich frage mich, was wird er tun, wenn er wieder im Internat ist, jetzt – oder nachdem er sie zum zweitenmal getroffen hat? Er wird von Ihnen erzählen. Ihr Name ist gut zu merken, vor allem für einen Ausländer, zwei einfache Worte: sieben und Stein. Er wird vielleicht sagen: Sie ist so schön wie sieben Steine, sieben Diamanten oder so etwas. Und tüchtig! Sie arbeitet an irgendeiner geheimen Sache mit… Verstehen Sie?«
»Glauben Sie?« fragte Nora.
»Was meinen Sie«, Horst Heilig lachte, »worüber sich junge Männer in einem Internat unterhalten!«
Nora winkte ab. »Schon gut, Sie brauchen das nicht näher zu erläutern. Aber wie geht die Geschichte weiter?«
»Irgendwann wird es der Gegner erfahren, und irgendwann wird er sich Ihnen nähern. Horchen, wovon Sie sprechen. Versuchen, eine unbedachte Äußerung aus Ihnen herauszulocken. Direkt fragen wird er nicht, und Gewalt anwenden schon gar nicht.« Er runzelte die Stirn. »Wenigstens jetzt noch nicht. Wenn es soweit ist, sind Sie schon nicht mehr im Spiel.«
»Ich weiß nicht…«, sagte Nora zögernd.
»Bedenken?«
»Nein, ich finde nur, dazu ist der Einstein-Klub zu klein. Zu begrenzt. Wenn einer nicht gerade Mathematiker im letzten Studienjahr ist…«
»Das stimmt«, Horst Heilig pflichtete ihr bei.
»Man müßte eine Gelegenheit organisieren«, warf ich ein. »Eine Gelegenheit, bei der viele Studenten zusammenkommen und die für jeden offen ist…«
»Studentenball!« rief Nora impulsiv dazwischen. »Anfang Februar!«
»Das ist wieder zu groß«, murmelte Horst Heilig.
»Schade«.
Der Inspektor wurde plötzlich lebendig. »Aber nicht, wenn man dem Gegner ein Zeichen gibt, wann er sich nähern soll.«
Nora Siebenstein und ich blickten ihn fragend an.
»Versuchen wir uns das mal vorzustellen«, sagte Horst Heilig. »Sicher sind Sie den ganzen Abend umschwärmt, niemand kann sich all die Leute merken, die an Sie herantreten. Und der Gegner ist in folgender Lage: Entweder er bleibt einer unter vielen, die mit Ihnen tanzen, und das nützt ihm nichts, oder aber er muß sich so intensiv um Sie bemühen, daß er sich exponiert. Daß es nicht nur Ihnen, sondern vor allem auch der Schar Ihrer Verehrer auffällt. Das wird er nicht riskieren. Wenn wir allerdings von vornherein das Gegenteil organisieren…«
Und er entwickelte einen Plan, der uns erst verblüffte und der schließlich, mit einigen Abänderungen, unsere Zustimmung fand.
Die Wochen bis zum Ball brachten nichts Neues – außer dem Ärger mit Caesar, auf den ich gleich kommen werde. Horst Heiligs Besuch bei uns zu Hause war ein voller Erfolg, wenn ich mal diesen abgedroschenen Ausdruck gebrauchen darf. Meine Frau und er freundeten sich sehr schnell an – ein weitgereister Mann mit guten Manieren und Kochrezepten aus aller Herren Länder ist überall
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