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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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wollte aufstehen, aber Horst Heilig rief: »Halt, halt, nicht so eilig, wir haben ja Zeit, erst mal sehen, wie es weitergeht!«
    In diesem Augenblick klingelte es. Die zweite Infrarotschranke in dem markierten Sektor zeigte einen Durchgang an, und auch das Horchgerät meldete wieder.
    »Also doch Methode Tischner!« sagte Werner Frettien.
    »So, jetzt kannst du«, meinte Horst Heilig. »Nimm ein Sprechfunkgerät mit, damit wir dir sagen können, wo er herauskommt. Und laß dir Zeit, bau dir eine richtige Stellung, tarne dich so gründlich wie ein Scharfschütze – als ob dein Leben davon abhinge. Und achte darauf, daß das Objektiv immer im Schatten bleibt, damit er keine Reflexe sieht.«
    »Und komm nicht unter die Räder, und schick die schmutzige Wäsche, und schreib vorm nächsten Herbst!« äffte ich nach. »Menschenskinder, ich bin doch Soldat!«
    Ich suchte mir einen geeigneten Platz und tarnte mich nach allen Regeln der Kunst. Kamera, Feldstecher und Sprechfunkgerät lagen griffbereit vor mir. Diesmal war es bedeutend angenehmer als seinerzeit im Nieselregen, angenehmer auch als bei dem gleichen, schönen, sonnigen Wetter im militärischen Einsatz, mit Stahlhelm und Felddienstuniform. Im Grunde genommen war es ein richtiges, faules Urlaubssonnenbad, das ich hier genoß.
    »Ich bin soweit fertig«, meldete ich über das Sprechfunkgerät. »Wie sieht es aus?«
    »Unser Gast ist jetzt etwa in der Mitte«, antwortete Horst Heilig. »Er macht ungefähr alle dreißig bis vierzig Minuten einen Sprung. Wir melden uns wieder, wenn er vor der letzten Sperre liegt. Es sieht jetzt so aus, als würde er in den Sektor drei überwechseln. Hast du gute Sicht nach dort?«
    »Ja, das ist, von meiner Stellung aus gesehen, noch günstiger«, antwortete ich.
    »Gut. Und noch eins, du bleibst auf jeden Fall liegen, egal, was passiert, hörst du? Bis wir dich abrufen! Ende.«
    Was soll denn das nun schon wieder! dachte ich etwas ärgerlich. Natürlich würde ich liegen bleiben, das verstand sich ja von selbst! Und was sollte auch schon passieren, es konnte ja gar nicht anders sein, der Gast würde beobachten, vielleicht fotografieren, und sich dann zurückziehen. Oder? Hatte Horst Heilig vielleicht eine andere Variante im Auge? Vielleicht kehrte er schon vorher um? Wie heißt es doch: Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens. Na ja, man würde sehen.
    Unwillkürlich schweiften meine Gedanken zu Caesar ab. Im Geiste ging ich noch mal alle Möglichkeiten durch, versuchte, mir die Fehlertabelle ins Gedächtnis zu rufen – und als ich plötzlich munter wurde, weil das Sprechgerät losquarrte, wußte ich genau, daß ich eben direkt vor der Lösung gestanden hatte, so, wie man im Traum manchmal eine Torte anschneidet, die unerhört appetitlich aussieht, und gerade in dem Moment aufwacht, wenn man ein Stück in den Mund stecken will.
    »Hörst du nicht?«
    »Doch«, antwortete ich, »ich habe vor dem Angriff schnell noch ein Nickerchen gemacht.«
    »Du hast Nerven!« sagte Horst Heilig. »Hör zu, er liegt jetzt schon eine Weile vor der siebenten Schranke, ungefähr in der Mitte von Sektor drei. Ich melde mich nur noch einmal kurz mit einem Satz, wenn er durchgeht. Von da ab kein Sprechfunkverkehr mehr. Ende.«
    Ich war nun hellwach. Es war halb eins. Unter mir lag wie ausgestorben das Tal. Gleich würde sich das ändern, denn jetzt begann die Essenszeit, um eins war Schichtwechsel – der Menschen, wie ich hinzufügen muß, nicht der Storos. Unser Gast hatte sich eine günstige Zeit ausgesucht.
    Der Waldrand mir gegenüber – vielleicht fünfhundert Meter Luftlinie entfernt – lag noch im Schatten. Lange würde das Signal nicht mehr auf sich warten lassen. Ich setzte den Feldstecher an die Augen.
    »Er ist durch!« meldete das Sprechfunkgerät.
    Im selben Augenblick schien es mir, als sähe ich eine Bewegung am jenseitigen Waldrand.
    Wieder Ruhe. Minutenlang.
    Von unten hörte ich das Klappern der Teller, das durch die geöffneten Fenster der Küche und des Speiseraums drang. Gut so – eine verführerisch ruhige und friedliche Stimmung!
    Und dann sah ich mir gegenüber eine Gestalt, die vom Waldrand zu der Stelle robbte, wo der Felsen steil nach unten abfiel. Der Gast – wie ich ihn der Kürze halber und nur für den eigenen Gebrauch getauft hatte – hielt dabei das Gesicht gesenkt. Anfangs fiel mir das nicht auf, weil es zu der Bewegung paßte. Aber er blickte auch nicht ein einziges Mal auf, als er am Rand des Tales

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