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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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angekommen war, seine Kamera fertigmachte und sich zur Beobachtung zurechtlegte.
    Ich stutzte – sollte er mit unserer List rechnen und sie überlisten wollen?
    Ich richtete die Kamera vorsichtig ein, indem ich kleine Steinchen unterlegte, bis der Gast im Bild war und die Kamera fest lag. In der einen Hand behielt ich den Auslöser, in die andere nahm ich das Fernglas.
    Ich versuchte mich in seine Lage zu versetzen. Das war wichtig, ich war ja jetzt wirklich so etwas wie ein Scharfschütze, und ich hatte in Erinnerungen berühmter Scharfschützen gelesen, daß sie strategisches Denken und Psychologie nicht weniger gebraucht hatten als das zielsichere Auge.
    Also: Die Absicht des Gegners war nun klar. Sicherlich hatte er sich aber mehrere Varianten für sein Verhalten zurechtgelegt. Was würde er tun, wenn er entdeckt würde? Vom ersten Einbruchsversuch her wußte der Gegner, daß es durchaus eine Chance zu entkommen gab, selbst jetzt noch. Er konnte den Zaun eher erreichen als die Wachmannschaft und im Wald verschwinden.
    Und wie konnte er sich gegen eine zufällige Entdeckung schützen? Ja, damit mußte er rechnen, er wußte ja nicht, ob nicht von Zeit zu Zeit eine Streife ausgesandt wurde oder vielleicht sonst jemand oben auf dem Kamm oder im Wald zu tun haben würde. Für den Fall war er gut gedeckt, ich zum Beispiel würde ihn von hier aus nicht bemerken, wenn ich nicht wüßte, wo er liegt. Aha, das war der Grund, warum er sein Gesicht nicht zeigte. Von unten konnte ihn niemand sehen, da jeder, der hochgeblickt hätte, von der Sonne geblendet gewesen wäre. Aber einem zufällig hier oben auf meiner Seite Stehenden könnte das Gesicht auffallen, wenn er den Kopf heben würde…
    Also mußte ich lauern – lauern auf den Augenblick, wo er sein gut durchdachtes Verhalten durchbrechen würde; mußte jeden Bruchteil einer Sekunde bereit sein, den Auslöser zu drücken. Ich hörte Stimmen unten im Tal – jetzt ging die zweite Schicht zum Stollen, aber ich blickte nicht hinunter, sondern behielt den Gast fest im Auge.
    Machen Sie mal ein Experiment. Versuchen Sie mal, aus ein Meter Entfernung auf das Madenloch eines Apfels zu starren, um genau den Augenblick abzupassen, wenn die Made herauskriecht, und dann gucken Sie mal auf die Uhr, wie lange Sie das aushalten, ohne den Bruchteil einer Sekunde mit dem Blick abzuweichen oder in der Aufmerksamkeit nachzulassen. Wie lange? Fünfzehn Sekunden? Eine Minute?
    Ich mußte es eine Viertelstunde aushalten und hätte es noch länger aushalten müssen, wenn nicht ein Gewitter mir den Gefallen getan hätte, in der Ferne zu donnern. Ich hörte das leise Rollen und begriff sofort meine Chance, und richtig, jetzt – blickte er auf zum Himmel.
    Jetzt hatte ich ihn.
    Ich senkte meinen erschöpften Blick nach unten, ins Tal. Die erste Schicht kam eben aus dem Stollen. Unwahrscheinlich, wie grün die Wiesen, wie bunt die Hemden waren!
    Ich prüfte die Lage der Kamera, ich brauchte nichts zu verändern, zu sehen war von dem Gewitter noch nichts, und legte mich erneut auf die Lauer.
    Aber es gelang mir keine Aufnahme mehr. Kurz danach begann unser Gast, sich zurückzuziehen.
    Erst eine Stunde später erlaubte Horst Heilig mir, herunterzukommen.
    »Er liegt noch zwischen der dritten und der vierten Sperre«, sagte er. »Hast du ihn?«
    »Einmal«, antwortete ich. »Er hat überhaupt nur einmal aufgesehen.«
    »Ein geschulter Mann«, sagte Horst Heilig nachdenklich. »Entwickle mal den Film und mach ein Dutzend Abzüge von dem Bild. Er wird uns zu den anderen führen.«
    »Muß das gleich sein?« fragte ich. »Ich wollte mal wegen Caesar…«
    »Na gut, mach’s abends. Aber du solltest dich jetzt ein bißchen darauf einstellen, daß du hier dringender gebraucht wirst als im Stollen.«
    Ich hätte das Bild auch gleich entwickeln können. Meine Anwesenheit im Beobachtungsraum Caesar änderte nichts daran, daß wir nach wie vor hilflos den Tatsachen gegenüberstanden.

    Manchmal steht man einem Zusammenhang einfacher Natur wie blind gegenüber und kann und kann ihn nicht erkennen, weil irgend etwas den Verstand blockiert, irgendeine Denk- oder Empfindungsgewohnheit, die nur gerade hier eben nicht zutrifft. Im Grunde beruht ja die Kunst der Magier und Illusionisten auf dieser Täuschung.
    Im Falle Caesar war es die Gewohnheit, vor der der Professor anfangs so eindringlich gewarnt hatte, nämlich im Storo eine andere Art Mensch zu sehen, die uns auf die sehr einfache Ursache seiner Fehler

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