Die Insel der roten Erde Roman
flüchtige Affäre aus. Ein unbändiges Glücksgefühl erfasste sie, doch es verflog rasch wieder. »Du hast etwas Besseres verdient als eine Zuchthäuslerin«, flüsterte sie.
Gabriel schüttelte den Kopf. »Wie kann ich dich davon überzeugen, dass du meine Liebe mehr als verdient hast? Dass ich der glücklichste Mann auf Erden wäre, wenn du das Gleiche empfändest?«
»Aber das tue ich doch, nur …«
Gabriel legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. »Du kannst doch nicht den Rest deines Lebens für einen Fehler büßen wollen. Ich habe auch Fehler gemacht. Wer nicht? Wir können sie nicht ungeschehen machen, aber wir können daraus lernen und uns bemühen, sie in Zukunft zu vermeiden. Lass es uns gemeinsam versuchen, Sarah. Voneinander getrennt zu sein ändert auch nichts an der Vergangenheit.«
Stumm schüttelte sie den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Ich werde auf dich warten.« Gabriel nahm sie wieder in die Arme. »Egal wie lange es dauert. Und wenn du frei bist, hoffe ich, dass du mich heiratest.« Amelia schmiegte sich an ihn. Hätte sie nicht seinen Herzschlag gehört, hätte sie alles für einen wunderschönen Traum gehalten.
Eng umschlungen standen sie im Mondlicht und genossen jede Sekunde – umso mehr, als sie wussten, dass sie bald voneinander Abschied nehmen mussten.
Der Gedanke an Gabriel würde ihr die Kraft geben, durchzuhalten, weil sie wusste, er wartete auf sie, und weil sie eine Zukunft hatte, auf die sie sich freuen konnte. Gabriel hatte Recht: Sie konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, auch nicht dadurch, dass sie sich selbst zur Einsamkeit verurteilte. Es war Zeit, das Vergangene ruhen zu lassen und die Schuldgefühle zu überwinden.
»Niemand darf von unseren Gefühlen füreinander erfahren, Gabriel«, sagte sie beschwörend. »Wenn Evan es herausbekommt, schickt er mich nach Van-Diemens-Land zurück.«
Gabriel nickte. »Lass uns einen Pakt schließen, hier und jetzt«, sagte er und schaute ihr in die Augen. »Die Vergangenheit liegt hinter uns. In diesem Augenblick beginnt unser gemeinsames Leben. Keine Schuldgefühle, keine Reue mehr.«
Amelia nickte, und sie besiegelten ihren Pakt mit einem Kuss.
Kingscote
Milo hatte schreckliches Heimweh, deshalb ließen sich Edna, Polly und Sarah abwechselnd etwas einfallen, um ihn abzulenken. Sarah bot Polly an, ihr beim Saubermachen von Faith Cottage und beim Zusammenpacken der persönlichen Gegenstände der Hammonds zu helfen, um sie ihnen nachzuschicken. Da Edna alle Hände voll mit Milo zu tun hatte und nur wenig Zeit blieb, das Haus für die Finnlays herzurichten, ließ sie ihr Mündel gewähren. Milo auf den Armen, überwachte sie die Arbeiten.
Am Freitagmorgen kam Dr. Thompson vorbei, um nach dem Jungen zu sehen. Milos Gelbsucht war weitgehend abgeklungen und die Schwellung seiner Milz zurückgegangen, wie er zufrieden feststellte.
Sarah vernahm es mit Erleichterung. »Wir sollten Mr Finnlay gleich schreiben, dass sein Sohn sich auf dem Weg der Besserung befindet. Vielleicht überlegt er sich die Sache mit dem Umzug dann noch einmal.«
»Dr. Thompson meint, es sei für die Finnlays das Beste, in die Stadt zu ziehen, Amelia«, widersprach Edna. »Mit Kindern sollte man nicht so abgelegen wohnen. Evans Frau und das Baby könnten vielleicht noch am Leben sein, wäre damals eine Hebamme in der Nähe gewesen. Außerdem werden seine Mädchen älter. Wo sollen sie in diesem verlassenen Winkel einen Ehemann finden? Nein, nein, Evan tut schon das Richtige.«
Der Gedanke, Tür an Tür mit der echten Amelia leben zu müssen, jagte Sarah Angst ein. Da wäre ihr Betty Hammond als Nachbarin ja noch lieber!
Seit ihrem gemeinsamen Mittagessen hatte sie Lance einige Male gesehen. Die Verabredung war nicht allzu gut gelaufen, weil ihr zu viel durch den Kopf gegangen war, sodass sie sich nicht entspannen und seine Gesellschaft genießen konnte. Wäre es denkbar, dass Amelias Erinnerungen zurückkehrten, wenn sie Sarah sähe? Dann fielen ihr wieder Evan Finnlays Worte ein: Wäre der Gedächtnisverlust nur vorübergehend, hätten ihre Erinnerungen längst wiederkehren müssen. Sarah hoffte inständig, dass er Recht hatte und Amelia ihr Gedächtnis unwiederbringlich verloren hatte. Sie wollte Kingscote nicht verlassen, zumal Lance sich seit ihrem Lunch immer aufmerksamer ihr gegenüber zeigte. Deshalb hatte Sarah sich entschlossen zu bleiben, bis sie ihn erobert hatte.
»Bedrückt dich etwas, Amelia?«,
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