Die Insel der roten Erde Roman
hielten es so für einfacher«, bekräftigte er. Er wusste, es wäre Edgar peinlich, wenn er Evan erklären müsste, seine Frau habe ihm verboten, auf die Farm hinauszugehen.
Evan schaute von Gabriel zu Edgar, dem nicht ganz wohl in seiner Haut war. »Gab es irgendwelche Probleme mit Carlotta und Sarah?« Die Feindseligkeit zwischen den beiden Frauen hatte sogar er gespürt; deshalb würde es ihn nicht wundern, wenn es zu Reibereien gekommen wäre.
»Sie hatten gewisse Meinungsverschiedenheiten«, räumte Edgar ein, »aber das ist nicht Sarahs Schuld. Carlotta will immer, dass alles nach ihrem Kopf geht, und zwei Frauen in einer Küche – das kann nicht gut gehen.«
Evan schnaubte verärgert. »Vielleicht ist es ganz gut, dass wir von hier wegziehen«, brummte er und wandte sich zum Gehen.
Amelia war mit Sissie im Garten, als Evan kam. Beide waren überrascht, dass er so schnell zurück war.
»Papa! Wieso bist du schon wieder da? Und wo ist Milo?«, fragte Sissie verwundert.
»Kommt mit ins Haus, ihr zwei. Ich habe euch etwas zu sagen«, erklärte Evan feierlich.
Amelia und Sissie schauten sich verdutzt an und folgten ihm hinein. Evan rief seine Töchter zu sich, und alle versammelten sich mit ernster Miene um den Tisch.
»Milo geht es gut«, begann Evan. Er konnte ihnen ansehen, dass sie schon das Schlimmste befürchtet hatten. »Ich habe ihn in Kingscote bei den Ashbys gelassen.«
»Aber wieso denn?«, fragte Sissie.
»Der Doktor will ihn in den nächsten zwei Wochen jeden Tag sehen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Es gibt keinen Grund zur Sorge.«
»Zwei Wochen sind eine lange Zeit«, bemerkte Amelia. Sie wusste, wie sehr Evan an seinem Jungen hing, und auch die Mädchen würden ihren Bruder vermissen. »Und wann genau kommt er zurück?«
»Überhaupt nicht. Der Arzt meint, das Leben hier draußen sei zu gefährlich für ihn.«
Die Mädchen starrten ihren Vater offenen Mundes an. Sollte das heißen, Milo würde für immer bei einer fremden Familie bleiben?
»Deshalb werden wir alle nach Kingscote ziehen«, fuhr Evan fort. »Übermorgen legt ein Schoner in der Bucht an, der uns und das Vieh mitnehmen wird. Das heißt, uns steht eine Menge Arbeit bevor.«
»Wir ziehen in die Stadt?« Sissie konnte kaum glauben, was sie da hörte.
»Ja«, bestätigte Evan. »Ich habe eine Farm für uns gefunden, mit Weideland für die Tiere und Getreidefeldern. Wir haben keine Zeit zu verlieren, deshalb möchte ich, dass ihr Sarah beim Packen helft.«
»Und was wird aus mir?«, fragte Amelia und schluckte schwer.
»Du kommst natürlich mit uns«, erwiderte Evan. »Oder hast du gedacht, ich würde dich hier zurücklassen?«
»Nein, aber … ich dachte, Sie würden mich vielleicht zurückschicken … nach Van-Diemens-Land«, sagte sie zögernd.
Jetzt war es Evan, dem es für eine Sekunde die Sprache verschlug. »Warum sollte ich?«, brummte er dann in seiner gewohnt bärbeißigen Art. »Schließlich wartet eine Menge Arbeit in unserem neuen Zuhause.« Damit ging er hinaus zu den Ställen, um nach den Tieren zu sehen. Amelia blickte ihm kopfschüttelnd nach. Das war typisch für Evan! Hätte er nicht wenigstens sagen können, die Kinder brauchten sie? Doch eher lief einem ein weißes Känguru über den Weg, als dass man ein Kompliment von Evan zu hören bekam.
Kaum war ihr Vater draußen, brachen die Mädchen in Jubelgeschrei aus. Sie würden in die Stadt ziehen! Wo es Läden mit Schaufenstern gab, und wo sie in die Schule gehen und andere Kinder kennen lernen würden! Und sie würden in ein neues Haus ziehen! Alle plapperten aufgeregt durcheinander. Nur Amelia konnte sich nicht freuen. Obwohl sie sich auf der Farm wie in einem Gefängnis vorkam, ging sie nicht gern fort, weil der Umzug bedeutete, dass sie Gabriel nie wiedersehen würde. Auch wenn sie sich gestritten und sie ihm erklärt hatte, es könne keine Zukunft für sie geben, und auch wenn Carlotta mit ihrer boshaften Bemerkung Zweifel an Gabriels Absichten in ihr gesät hatte – Amelia liebte ihn trotz allem von ganzem Herzen. Und im tiefsten Innern hoffte sie auf ein Wunder, das ihr Ansehen wiederherstellen würde, damit einer gemeinsamen Zukunft mit Gabriel nichts mehr im Weg stünde.
Sie überließ die Mädchen ihrer Begeisterung, ging nach draußen und schlenderte zum Gemüsegarten, wo sie sich an den Zaun lehnte. Das Herz lag ihr schwer wie Blei in der Brust, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ich muss mir einreden, dass es so das Beste
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