Die Insel der roten Erde Roman
der Suche nach der geeigneten Pflanze geholfen hatte, war mehr, als er ertragen konnte.
Kingscote
»Wo ist Vater?«, fragte Lance, als er am Abend herüberkam.
»Nebenan bei Evan«, antwortete Edna. »Die beiden haben nach dem Weizen gesehen.«
»Und, ist er schon reif?«
»Eigentlich sollte er noch eine Weile stehen bleiben, aber für die nächsten Wochen ist viel Regen vorhergesagt, und dein Vater hat Angst, das Korn könnte verfaulen. Ich denke, er wird Evan raten, die Ernte schnellstens einzubringen. Sie werden dann zwar keinen so guten Preis dafür erzielen, aber ein bisschen Geld ist besser als gar keins, und wenn das Korn verfault, bekommen sie nichts.«
Lance wiegte zweifelnd den Kopf. »Eine so große Ernte einzubringen ist für einen Einzelnen ein hartes Stück Arbeit, zumal für einen im Getreideanbau unerfahrenen Farmer wie Evan Finnlay. Gabriel sagte, er hätte bisher nur Vieh gehalten.«
»Dein Vater wird ihm sicher dabei helfen.«
»Ich könnte mir ja ein paar Tage freinehmen und den beiden zur Hand gehen«, schlug Lance vor. »Es ist zurzeit nicht viel los in der Bank.«
Edna lachte laut heraus, was ihr einen vorwurfsvollen Blick ihres Sohnes eintrug. »Ausgerechnet du willst bei der Ernte helfen? Du mit deinen zarten Händen! Du bist körperliche Arbeit doch gar nicht gewohnt.« Sie schüttelte den Kopf.
»Diese Bemerkung nehme ich dir übel, Mutter«, erwiderte Lance verschnupft. Er sah Polly an, die im Begriff war, ihm eine Tasse Tee aufzubrühen. »Für mich nicht, Polly, danke. Ich werde nach nebenan gehen und meine Hilfe anbieten.« Das Kinn trotzig in die Höhe gereckt, stapfte er hinaus.
Sarah war im Salon und hatte alles mit angehört. Sie ahnte, was Lance in Wirklichkeit nach Faith Cottage hinüberzog: Amelia. In ohnmächtigem Zorn ballte sie die Fäuste.
Edna sah ihrem Sohn schmunzelnd nach, und auch Polly musste ein Kichern unterdrücken. Die beiden Frauen bemerkten nicht, wie Sarah hinausschlüpfte und zum Hühnerstall schlich. Sie ließ Lance nicht aus den Augen. Drüben nahm Amelia Wäsche von der Leine ab, faltete sie zusammen und legte sie in einen Korb. Im weichen Licht der Abendsonne sah sie noch bezaubernder aus. Sarah schlug das Herz bis zum Hals, während sie Lance beobachtete. Als er bei Amelia stehen blieb, erstickte Sarah fast an ihrer Eifersucht.
»Sie haben aber viel Wäsche«, sagte Lance zu Amelia.
Erschrocken fuhr sie herum. Sie hatte ihn gar nicht gehört. »Bei sechs Kindern fällt immer etwas zu waschen an«, erwiderte sie freundlich.
Ihre Schönheit verschlug ihm den Atem. Selbst nach einem langen Arbeitstag sah sie noch hinreißend aus. Wer wollte es Gabriel verdenken, dass er sein Herz an sie verloren hatte? »Kommen Sie, ich trage Ihnen den Korb ins Haus«, sagte er und hob ihn hoch.
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, aber ich schaffe das schon allein«, entgegnete sie ein wenig verlegen. Ein Glück, dass Evan sich auf der anderen Seite des Getreidefelds aufhielt und die Szene nicht sehen konnte! Sie wollte ihn nicht verärgern.
»Das ist eine gute Übung, wissen Sie«, erklärte Lance. »Ich habe meiner Mutter gerade gesagt, dass ich Evan und meinem Vater bei der Ernte helfen möchte, und da hat sie mich ausgelacht, weil ich körperliche Arbeit nicht gewohnt bin. Ich weiß, ich arbeite in einer Bank, aber so zart sind meine Hände nun auch wieder nicht.«
Ein Lächeln huschte über Amelias Gesicht. Er schmollte wie ein kleiner Junge. »Sie hätten meine Hände sehen sollen in der ersten Zeit auf Evans Farm!«, tröstete sie ihn. »Alles voller Blasen! Meine Handflächen waren eine einzige offene Wunde.«
»Du meine Güte!« Lance schaute sie bestürzt und neugierig zugleich an. Alles an dieser Frau faszinierte ihn. »Sie müssen mir unbedingt mehr darüber erzählen!«
Sarah raste vor Eifersucht. So konnte es nicht weitergehen! Seit Amelia nebenan eingezogen war, nahm Lance kaum noch Notiz von ihr. Sie beschloss, zu einer List zu greifen, die sie eigentlich nicht hatte anwenden wollen: Sie würde Lance hereinlegen, sodass ihm gar nichts anderes übrig bliebe, als sie zu heiraten.
29
Am anderen Morgen packte Gabriel seine Sachen. Von Carlotta war glücklicherweise nichts zu sehen. Edgar, der die ganze Nacht Dienst getan hatte, schlief bis Mittag und kehrte dann in den Leuchtturm zurück, um ein paar Dinge zu erledigen. Als Erstes stellte er eine Liste jener Vorräte zusammen, die ergänzt werden
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