Die Insel der roten Erde Roman
»Ich werde heute die erste Schicht übernehmen, dann können Sie sich ein wenig ausruhen.«
»Das ist nicht nötig«, widersprach Edgar. »Lassen Sie mich ruhig beide Schichten machen, ich muss mich schließlich daran gewöhnen. Außerdem haben Sie noch viel zu erledigen.«
Als Carlotta, die auf der Suche nach ihrem Mann war, Stimmen in Gabriels Cottage hörte, machte ihr Herz einen Hüpfer vor Freude. Eilig lenkte sie ihre Schritte ins Haus.
»Gabriel!«, rief sie strahlend.
Ihre Freude über Gabriels Rückkehr erstaunte Edgar denn doch ein wenig. »Ja, schön, dass er wieder da ist, nicht wahr, Liebes?« Er wandte sich Gabriel zu. »Die Linsen müssen gereinigt werden. Wir sehen uns dann später.«
Gabriel nickte. »In Ordnung.« Er hoffte, Carlotta würde ihren Mann begleiten. Doch das war ein Irrtum.
»Kommst du, Liebes?«, sagte Edgar.
»Geh ruhig schon vor«, antwortete Carlotta, ohne ihren Mann eines Blickes zu würdigen. Edgar schlich wie ein begossener Pudel davon.
»Wenn Sie mich entschuldigen würden, Carlotta, ich habe noch zu tun«, sagte Gabriel schroff. Doch die Italienerin verstand den Wink nicht.
Stattdessen lächelte sie ihn zuckersüß an und fragte: »Wie geht es den Finnlays?«
Gabriel konnte es nicht fassen. Was für eine Unverfrorenheit! Maßlose Wut stieg in ihm auf, als er daran dachte, was der kleine Milo ihretwegen durchgemacht hatte. »Wie können Sie es wagen, mich das zu fragen … nach allem, was Sie Milo angetan haben?«, fuhr er sie an.
Für einen Augenblick legte sich ein schuldbewusster Ausdruck auf ihr Gesicht. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, gab sie dann trotzig zurück.
»Dann werde ich es Ihnen sagen: Sie haben Milo etwas Giftiges zu essen gegeben, nur um Sarah loszuwerden!«
»Was reden Sie denn da! So etwas würde ich nie tun«, rief Carlotta und spielte die Entrüstete.
Edgar war schon auf halbem Weg zum Leuchtturm, als ihm einfiel, dass er Gabriel etwas wegen des Öls für die Lampe hatte fragen wollen. Er drehte um und kehrte zum Cottage zurück. Die Tür war nur angelehnt. Als er nur noch ein paar Schritte entfernt war, hörte er, wie Gabriel zornig die Stimme hob. Seine Anschuldigung, Carlotta habe Evans Sohn zu vergiften versucht, traf Edgar wie ein Keulenschlag. Er blieb wie angewurzelt stehen und lauschte.
»Mir kam Ihr plötzliches Interesse für die Pflanzen auf der Insel gleich merkwürdig vor. Und als Sie gefunden hatten, wonach Sie suchten, haben Sie Kekse für die Finnlay-Kinder gebacken. Milo bekam einen ganz besonderen Keks, nicht wahr? Damit nur er und keins der anderen Kinder krank würde«, sagte Gabriel. »Geben Sie es zu! Der Arzt in Kingscote hat festgestellt, dass Milo irgendein Gift aufgenommen haben muss. Aber wenn Sie glauben, Ihr Plan hätte Erfolg gehabt und Sie wären die Finnlays losgeworden – vor allem Sarah –, damit Sie mich verführen können, haben Sie sich gewaltig getäuscht, Carlotta! Ich werde nämlich auch von hier fortgehen.«
Edgar war wie vor den Kopf geschlagen. Was unterstellte er Carlotta denn da? So etwas würde sie niemals tun!
»Nein! Sie können mich doch nicht hier allein lassen!«, rief Carlotta.
Die abgrundtiefe Verzweiflung in der Stimme seiner Frau versetzte Edgar einen Schock.
»Warten Sie’s ab«, entgegnete Gabriel kalt. »Ich habe die Nase voll von Ihren aufdringlichen Annäherungsversuchen. Ich schätze Edgar sehr, als Kollege und als Mensch. Der Tag, an dem er Sie geheiratet hat, war der schwärzeste Tag seines Lebens. Sie sind von Grund auf schlecht! Sarah hat Ihren Ring gar nicht gestohlen, Sie haben ihn nur versteckt, nicht wahr?«
»Na und?«, schleuderte Carlotta ihm hasserfüllt entgegen. »Aber sie hätte ihn stehlen können ! Ist sie wegen Diebstahls verurteilt worden oder nicht?«
Edgar hatte genug gehört. Er wandte sich um und taumelte zum Leuchtturm. Völlig durcheinander schleppte er sich die Treppe hinauf. Oben ließ er sich auf einen Stuhl fallen und starrte aufs Meer hinaus. Die untergehende Sonne hatte es mit rotem, flüssigem Gold überzogen, doch er hatte keinen Blick für die Schönheit der Natur. Im tiefsten Innern hatte er immer gewusst, dass Carlotta ihn nicht liebte, aber er hatte gehofft, sie würde mit der Zeit seine inneren Werte erkennen und schätzen lernen und Zuneigung für ihn entwickeln. Jetzt kam er sich wie ein ausgemachter Trottel vor. Fast noch schlimmer war der Vorwurf, Milo Gift verabreicht zu haben. Der Gedanke, dass er ihr auch noch bei
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