Die Insel der roten Erde Roman
Amelia beschwörend. »Sie ahnen nicht, wie schlimm der Gedanke für mich ist, so selbstsüchtig gehandelt zu haben, ohne dass ich es weiß . Und dass ich mich nicht an meine Beweggründe erinnern kann, macht es umso schlimmer. Mit dieser Schuld werde ich leben müssen.«
Geschieht dir ganz recht, lag es Sarah schon auf der Zunge. Doch sie beherrschte sich. Sie wollte sich Amelias Vertrauen erschleichen, in der Hoffnung, diese werde ihr erzählen, wenn sie sich an irgendetwas erinnern konnte. »Reden wir nicht mehr davon«, erwiderte sie mit geheuchelter Großmut.
»Ich danke Ihnen. Sie haben ein gutes Herz.«
In diesem Moment gesellten sich Edna, Polly und Evans Töchter zu ihnen. Ohne ein weiteres Wort an Amelia zu richten, wandte Sarah sich wieder ihrer Arbeit zu.
Eine Stunde später brachte Charlton eine weitere Fuhre Garben. Als er sah, was die Frauen und Mädchen geleistet hatten, zeigte er sich beeindruckt.
»Wir haben es fast geschafft«, meinte er. Ein paar Regentropfen prasselten aufs Eisendach.
»Habt ihr das ganze Getreide eingebracht?«, fragte Edna staunend.
»Den allergrößten Teil. Ohne die Hilfe von Lance und Gabriel hätten wir es nie in so kurzer Zeit geschafft. Lance hat sich recht geschickt angestellt, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass er seine Stelle in der Bank aufgibt, um Farmer zu werden«, meinte Charlton schmunzelnd. »Aber er hat sich kein einziges Mal beklagt. Dabei tut ihm bestimmt jeder Knochen im Leib weh. Und erst seine Hände! Sogar meine sind ganz wund, und ich bin an körperliche Arbeit gewohnt.« Charlton musste unwillkürlich lächeln. Er war trotz aller Spannungen zwischen ihnen stolz auf seinen Sohn.
Wenig später flüchteten sich Evan, Gabriel und Lance vor dem stärker werdenden Regen in den Schuppen.
Sarah ließ Lance nicht aus den Augen. Sie sah es gar nicht gern, dass er so unglücklich war, tröstete sich aber mit dem Gedanken, dass es vorbeigehen würde. Sie hatte ihr Ziel erreicht: Lance würde sie heiraten. Das war die Hauptsache. Jetzt hatte sie alle Zeit der Welt, um ihn glücklich zu machen.
»Heute können wir nicht mehr viel machen«, sagte Evan. »Aber es steht nur noch wenig Korn auf dem Feld.«
»Wir sollten dankbar sein, dass wir fast die gesamte Ernte eingebracht haben«, rief Charlton gut gelaunt. »Das sollte gefeiert werden. Zumal wir einen weiteren guten Grund zum Feiern haben: Amelia und Lance werden sich verloben!«
Ausrufe des Erstaunens waren zu vernehmen. Alle Blicke richteten sich auf Lance, der ein missmutiges Gesicht machte, und auf die zukünftige Braut, der die Ankündigung peinlich zu sein schien.
»Tja dann … meinen Glückwunsch«, murmelte Evan verlegen und mit einem verstohlenen Seitenblick auf Gabriel.
»Ja, ich gratuliere auch«, sagte Gabriel, der an seine Unterhaltung mit Lance über Olivia Horn dachte und überhaupt nichts mehr verstand.
»Lass uns kein Aufhebens davon machen, Onkel«, bat Sarah kleinlaut. Sie konnte Lance ansehen, wie unglücklich er war. Und ihr selbst war das Ganze unangenehm. Eine Verlobung in aller Stille würde ihr vollauf genügen.
Doch Charlton war nach Feiern zumute. »Unsinn! Schließlich heiratet mein Sohn nicht jeden Tag, und ich bekomme nicht jeden Tag eine Tochter geschenkt!« Er freute sich aufrichtig über die Verbindung der beiden und war fest davon überzeugt, dass er und Edna die Dinge in die richtigen Bahnen gelenkt hatten und es für alle Beteiligten das Beste war. Wenn Lance das erst erkannt hätte, würde er in der Ehe mit Amelia sein Glück finden. Lance brauchte lediglich jemanden, der ihm einen aufmunternden Schubs gab – wie die meisten jungen Leute, wenn es ums Heiraten ging. Und die meisten fuhren gar nicht schlecht mit der Wahl, die ihre Eltern getroffen hatten. Edna und Charlton hatten nie die Absicht gehabt, eine Frau für Lance auszusuchen, doch je länger Charlton darüber nachdachte, desto perfekter erschien ihm diese Verbindung.
Lance sagte überhaupt nichts dazu. Er stand mit gesenktem Kopf da und schwieg. Amelia, Gabriel und Evan erkannten, dass irgendetwas nicht stimmte.
»Ich weiß nicht, Charlton«, sagte Evan in die peinliche Stille hinein. »Es war ein harter Tag, wir sind alle ziemlich erledigt.«
»Wie wär’s, wenn wir am Wochenende eine Party feierten?«, schlug Edna vor. Sie wollte ihrem Sohn ein wenig Zeit geben, sich mit dem Gedanken an seine Verlobung anzufreunden. Schließlich machte es sich nicht besonders gut, wenn der
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