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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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sich aber auch in die Lage des Mädchens versetzen. Für Evan arbeiten zu müssen, war bestimmt kein Zuckerschlecken.
     
    Nicht lange nachdem Evan gegangen war, stand Amelia vor dem Cottage des Leuchtturmwärters. Gabriel hatte gerade im Dienstbuch vermerkt, wie das Wetter in der vergangenen Nacht gewesen war, und das Glas der Leuchtturmlaterne gereinigt. »Guten Morgen«, sagte er misstrauisch. Er fragte sich, was die junge Frau zu ihm führte.
    »Würden Sie mir einen Gefallen tun?« Sie war sichtlich nervös.
    »Ich werde Ihnen nicht helfen, von der Insel zu fliehen, wenn Sie darauf anspielen«, sagte er mit Nachdruck.
    »Fliehen?« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Ich weiß, dass Sie mir nicht zur Flucht verhelfen würden.« Evan hatte sie bereits gewarnt: Falls sie Dummheiten machte, würde sie schnurstracks zurück ins Zuchthaus wandern.
    »Was wollen Sie dann von mir?«
    »Evan verlangt von mir, ein Tier zu töten. Das bringe ich nicht fertig!«, brach es verzweifelt aus ihr hervor.
    Gabriel runzelte die Stirn. »Reden Sie von dem Huhn?«
    Sie schaute ihn verdutzt an. »Ja. Woher wissen Sie das?«
    »Evan war vorhin da. Er hat schon geahnt, dass Sie Schwierigkeiten haben, ein Huhn zu schlachten.«
    »So? Nun, da hat er völlig Recht!« Ein Gedanke durchfuhr sie. »Hat Evan Ihnen erzählt, dass ich das Essen habe anbrennen lassen?«
    Da Evan bereits genug Sorgen hatte, wie Gabriel fand, entschied er sich für eine diplomatische Antwort. »Er sagte, er würde wahrscheinlich zusätzliche Vorräte kaufen müssen.«
    Amelias braune Augen wurden schmal. Die Geschichte mit dem verkohlten Essen war ihr unangenehm. Aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass Gabriel an ihren hausfraulichen Tugenden zweifelte. »Jedenfalls kann ich kein Huhn schlachten«, gestand sie. »Ich weiß zwar nichts mehr über meine Vergangenheit, aber ich bin sicher, dass ich niemals ein Lebewesen getötet habe.«
    »Warum nehmen Sie nicht einfach eine Axt und jagen das Huhn so lange, bis es vor Angst tot umfällt?«
    »Das ist nicht komisch! Ich habe mich überwunden und bin hierher gekommen, obwohl es von Schlangen wimmelt, und was tun Sie? Sie machen sich über mich lustig!«
    »Schlangen? Was für Schlangen?«
    »Evan hat gesagt, dass es hier überall Schlangen gibt. Stimmt das etwa nicht?«
    »Doch, schon, aber an einem so kalten Tag sind sie nicht unterwegs. Sie haben also nichts zu befürchten.«
    »Werden Sie mir helfen, das Huhn zu schlachten?«
    »Ich?«
    »Wer denn sonst? Würden Sie … würden Sie das für mich erledigen?«
    »Wo ist Evan?«
    »Er führt die Schafherde auf eine neue Weide und ist erst zum Mittagessen zurück.«
    »Hören Sie«, sagte Gabriel, »ich bin todmüde und wollte mich gerade hinlegen. Ich war die ganze Nacht auf.«
    Amelia warf einen flüchtigen Blick zum Leuchtturm hinauf. »Es wird doch nicht lange dauern.« Sie verlegte sich aufs Bitten und Schmeicheln. »Sie würden mir einen großen Gefallen tun. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar!«
    Gabriel seufzte. Wie konnte er ihr die Bitte abschlagen? Sie würde ja doch keine Ruhe geben, und je eher die Sache erledigt war, desto schneller würde er ins Bett kommen. »Also gut. Gehen wir.«
    Er folgte ihr zur Farm, wo Evan bereits die Axt an den Hühnerstall gelehnt hatte.
    »Haben Sie schon eins ausgesucht?«, fragte Gabriel, als sie einen Augenblick zuschauten, wie die Hühner, ein gutes Dutzend, im Boden scharrten.
    »O Gott, so etwas können Sie nicht von mir verlangen!«, rief Amelia entsetzt und drehte sich rasch um. »Ich will doch nicht den Todeskandidaten aussuchen müssen!«
    Wieder seufzte Gabriel. »Also gut«, sagte er und ging in den Hühnerstall. Amelia hielt sich rasch die Ohren zu. Dennoch vernahm sie das panische Gackern und Glucken, als Gabriel die Tiere jagte, bis er eins gefangen hatte. Sie fuhr herum, um ihm zu sagen, er solle aufhören und das Huhn am Leben lassen, doch es war zu spät. Die Axt sauste herunter, und der abgeschlagene Hühnerkopf fiel zu Boden. Blitzschnell kniff Amelia die Augen zusammen, doch sie hatte das grausige Bild bereits in sich aufgenommen.
    »So, das wär’s«, sagte Gabriel. Er trat aus dem Hühnerstall und berührte Amelia an der Schulter. »Jetzt brauchen Sie es nur noch zu rupfen und zu säubern.«
    Langsam öffnete Amelia die Augen. Gabriel hielt das kopflose Huhn an den Füßen. Es schlug immer noch mit den Flügeln, Blut spritzte umher.
    Amelia wurden die Knie weich. Sie verdrehte die Augen und

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