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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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die Atmosphäre auflockern könnte. Ihm war aufgefallen, dass Sarah geweint hatte; anscheinend hatte sie gesehen, wie er Olivia geküsst hatte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er gewusst, dass sie es sehen musste . Und Olivias hübsches Gesicht war nicht der einzige Grund gewesen, weshalb er sie geküsst hatte – auch das musste er sich eingestehen. Er schämte sich plötzlich. Seit wann war er so grausam?
    Sarah kam plötzlich eine Idee, wie sie ihr Verhalten erklären und Lance’ Sympathie zurückerobern könnte. Als die Kutsche in die Auffahrt von Hope Cottage einbog, sagte sie: »Lance, ich … ich habe heute Abend einen Narren aus mir gemacht, und das tut mir schrecklich Leid. Ich hoffe, du denkst jetzt nicht schlecht von mir.«
    Lance suchte nach einer taktvollen Antwort, doch ihm fiel nichts ein. Der erste Eindruck, den die Leute hier von ihr gewonnen hatten, war schlichtweg verheerend gewesen, daran gab es nichts zu rütteln. Er hatte ihr schamloses Verhalten zwar nur zu einem Teil mitbekommen, doch seine Freunde hatten ihm zugetragen, was man so über sie redete. Hoffentlich erkannten die Leute, dass sie aufgrund der furchtbaren Schicksalsschläge, die sie erlitten hatte, aus dem inneren Gleichgewicht geraten war, und verziehen ihr die Fehler und Schwächen.
    Angesichts seines betretenen Schweigens hielt Sarah drastischere Maßnahmen für angebracht, und so brach sie in Tränen aus.
    »Amelia«, rief Lance erschrocken. »Nicht weinen!« Wieder meldete sich sein schlechtes Gewissen.
    »Du hast die ganze Zeit Recht gehabt, Lance«, schluchzte sie und drückte sich das Taschentuch, das sie von Olivia bekommen hatte, vors Gesicht. »Ich habe meinen Kummer in meinem Herzen verschlossen, und das macht mir schrecklich zu schaffen. Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Ich werde mit dem Verlust einfach nicht fertig. Ich muss unbedingt mit jemandem darüber reden, aber … es fällt mir schwer, mich einem anderen Menschen anzuvertrauen. Deine Eltern sind wundervolle Menschen, doch der Einzige, mit dem ich offen über diese Dinge zu reden wage, bist du. Aber du hast sehr viel in der Bank zu tun, und Olivia ist ja auch noch da. Ich kann doch nicht von dir verlangen, dass du deine kostbare Freizeit mit mir verbringst.«
    Lance erkannte seine Chance, sein Gewissen zu entlasten. »Für dich habe ich immer Zeit, Amelia. Ich habe dir doch gesagt, du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du jemanden zum Reden brauchst.«
    »Nein, nein, ich möchte auf keinen Fall, dass du deine Freizeit für mich opferst!«
    »Keine Widerrede, Amelia«, entgegnete er mit Nachdruck. »Ich habe dir angeboten, dich bei mir auszusprechen, wann immer dir danach ist, und ich habe dir mehr als einmal versprochen, für dich da zu sein. Ich bin vielleicht kein vollendeter Gentleman«, er dachte dabei an Olivia, die er ein wenig für seine Zwecke benutzt hatte, »aber ich pflege meine Versprechen zu halten.« Hoffentlich würde Olivia Verständnis für seine Situation zeigen – ihr hatte er nämlich auch etwas versprochen: dass er mehr Zeit mit ihr verbringen würde. »Es ist noch ziemlich früh, und du warst noch nie bei mir. Hättest du Lust, mit rüberzukommen? Ich mach dir eine warme Milch mit einem Schuss Rum, dann kannst du besser einschlafen.«
    Sarah beglückwünschte sich im Stillen zu ihrer erfolgreichen Taktik. »Das wäre wunderbar, Lance.«
     
    Sarah schlug das Tagebuch von Amelia Divine auf. Sie war gerade von Lance gekommen, bei dem sie eine ziemlich anstrengende Stunde verbracht hatte. Bei einem Glas warme Milch mit Rum hatte er versucht, sie auszufragen, in der Hoffnung, sie werde über den Verlust ihrer Familie mit ihm sprechen. Doch sie war ihm immer wieder ausgewichen und hatte die Unterhaltung auf unverfängliche Themen wie seine Einrichtung oder seine Gemälde gelenkt. Zu guter Letzt hatte Lance es aufgegeben.
    Einmal mehr ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie Amelias Tagebuch nicht gründlicher studiert hatte. Wie nötig das war, zeigte sich jedes Mal, wenn sie wieder mit einer weiteren Einzelheit aus Amelias Leben konfrontiert wurde. So hatte sie zum Beispiel etwas über das Tanzen gelesen, aber nicht, dass sie selbst Unterricht darin erteilte. Neben Einträgen enthielt das Tagebuch auch zahlreiche, von Amelia selbst verfasste Gedichte. Die paar, die Sarah gelesen hatte, ergaben für sie keinen Sinn. Dennoch durfte sie diese Gedichte nicht einfach überschlagen, weil sie möglicherweise ein Bild der Familie

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