Die Insel der roten Erde Roman
und ihr Erstaunen zu unterdrücken.
Als Lance seinen Platz neben Sarah wieder eingenommen hatte, sagte er: »Amelia, ich möchte dir Olivia Horn vorstellen. Olivia, das ist Amelia, die junge Dame, von der ich dir erzählt habe.«
»Freut mich sehr«, sagte Olivia. »Lance hat mir schon viel von Ihnen erzählt – natürlich nur Gutes.« Lance hatte Olivia den tragischen Hintergrund für den Besuch Amelias erklärt und hinzugefügt, dass seine Mutter ihn gebeten habe, das »arme Mädchen« auszuführen, damit sie unter Leute kam. Die Geste rührte Olivia.
Sarah jedoch war völlig durcheinander. »Ach ja? Sie hat er mir gegenüber nie erwähnt«, versetzte sie patzig.
Olivia zuckte angesichts der rüden Bemerkung zusammen.
Lance fühlte sich sichtlich unbehaglich. »Olivia arbeitet mit mir zusammen in der Bank«, erklärte er.
Sarah, tief gekränkt, atmete auf. »Oh«, machte sie. Anscheinend war die Sache harmloser, als sie vermutet hatte; Lance hatte lediglich einer Kollegin angeboten, sie mitzunehmen. Jetzt tat Olivia, die offenbar keinen Begleiter für den Ball gefunden hatte, ihr sogar Leid.
Es herrschte Hochbetrieb im Freimaurersaal. Hauptsächlich junge Leute waren gekommen. Eine Kapelle spielte, und an einer Wand war ein langer Tisch aufgebaut, der sich schier bog unter allerlei Köstlichkeiten. Lance Ashby war bekannt und beliebt in der Stadt. Als die drei den Saal betraten, kamen viele Leute zu ihm, um ihn zu begrüßen, und er machte Sarah mit jedem bekannt.
Sarah fand es schrecklich aufregend – schließlich war es ihr erster Ball. Sie hatten kaum einen Tisch gefunden und sich gesetzt, als auch schon ein junger Mann näher trat und sie aufforderte. Da erst fiel ihr siedend heiß ein, dass Amelia Divine ja Tanzunterricht gegeben hatte und Lance deshalb sicher davon ausging, dass sie eine hervorragende Tänzerin war. Warum nur hatte sie nicht eher daran gedacht? In ihrer überschwänglichen Freude über seine Einladung hatte sie es ganz vergessen.
»Oh, nein, vielen Dank«, sagte sie erschrocken.
»Nun geh schon, Amelia!«, drängte Lance aufmunternd. Er nahm Olivia bei der Hand und führte sie auf die volle Tanzfläche.
Da der junge Mann sich nicht abweisen ließ, blieb Sarah nichts anderes übrig, als aufzustehen.
»Ich … ich bin ein bisschen aus der Übung«, stammelte sie. Sie zitterte förmlich am ganzen Leib.
»Ich bin auch kein besonders guter Tänzer«, gestand der junge Mann. »Da passen wir ja gut zusammen.« Er führte sie in die Mitte der Tanzfläche, zum Glück weit weg von Lance und Olivia. Sarah beobachtete verstohlen die anderen jungen Frauen und versuchte, deren Schrittfolge nachzuahmen. Zuerst stellte sie sich ein wenig unbeholfen an, doch da ihr Partner genauso linkisch war, würde sie einfach ihm die Schuld geben, falls jemandem ihre hölzernen Bewegungen auffielen.
Nach drei Runden über die Tanzfläche hatte Sarah ein Gefühl für den Walzertakt bekommen und entspannte sich. So schwer ist es gar nicht, dachte sie. Anscheinend war sie ein Naturtalent – ein Umstand, der sie davor bewahrte, auf Anhieb als Schwindlerin entlarvt zu werden.
Schon klatschte ein anderer junger Mann Sarah ab, und dann noch einer und noch einer. Das wiederholte sich in den nächsten zwanzig Minuten so oft, dass es ihr schien, sie müsse mit mindestens fünfzehn verschiedenen Partnern getanzt haben. Sie konnte sich weder an alle Namen erinnern noch daran, ob Lance sie ihr bereits vorgestellt hatte. Sie reckte den Hals und hielt angestrengt nach ihm Ausschau, aber jedes Mal, wenn sie ihn entdeckte, tanzte er mit Olivia. Ein- oder zweimal fing er ihren Blick auf und lächelte ihr zu, bevor er wieder im Gewoge herumwirbelnder Paare verschwand.
»Ich muss ein bisschen verschnaufen«, sagte Sarah atemlos. Als die Kapelle eine Pause einlegte, brachte ihr Partner, ein großgewachsener junger Mann, sie an ihren Tisch und erbot sich, ihr ein Glas Punsch zu holen. Bis er wieder da war, waren auch Lance und Olivia von der Tanzfläche zurück.
»Amüsierst du dich, Amelia?«, fragte Lance. Auch er war außer Atem. Seine Wangen hatten sich gerötet, und seine Augen funkelten vor Ausgelassenheit. Er sah unglaublich gut aus.
»Und wie! Ich komme kaum zum Luftholen.« Wann er sie wohl zum Tanz auffordern würde?
»Reserviere mir den nächsten Tanz«, bat er im gleichen Moment, und sie strahlte. Sie hoffte nur, es würde ein Walzer sein.
»Du musst entschuldigen, wenn ich Fehler mache, aber ich bin ein
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