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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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als das kleine Mädchen mit ernstem Gesicht den Brotkorb auf den Tisch stellte.
    Nafia drängte sich weiter um Aufgaben im Haushalt, beim Frühstück hatte in letzter Zeit aber eher Bonnie bedient, nachdem sie der Köchin bei den Vorbereitungen zur Hand gegangen war.
    »Weg«, antwortete Nafia.
    Deirdre traf das Wort wie ein Messerstich.
    »Was heißt denn ›weg‹, Kleines?«, erkundigte sich Victor.
    Nafia zuckte die Schultern. »Weiß ich auch nicht. Aber heute Morgen sind wir aufgewacht, weil die Pferde gewiehert haben und mit den Hufen an die Wand geschlagen. Die haben Hunger gehabt, Mèz Victor! Das haben sie gesagt!«
    Victor lächelte. »Und wo war Caesar? Hat der sie nicht gefüttert?«
    Nafia schüttelte den Kopf. »Nein. Weil, der ist nämlich auchweg. Amali hat dann die Pferde gefüttert, und ich wollte Bonnie wecken, damit sie Sabina hilft. Ich hab ganz laut an ihre Tür geklopft.« Bonnie hatte nach ihrer Genesung das Gästezimmer der Dufresnes verlassen und war in einen der Räume im Dienstbotenquartier gezogen. »Aber sie hat nicht aufgemacht. Und dann kam Amali und sagte, dass die bestimmt auch weg ist. Als ob sie sich schon so was gedacht hat. Na ja, wir haben dann nachgesehen. Hätte ja auch sein können, dass sie krank war oder so. Aber sie war nur weg. Obwohl ihre Kleider alle noch da waren. Das ist komisch, nicht, Mèz Victor?«
    Victor seufzte. Für ihn war das eher die Bestätigung seiner Befürchtungen. »Armes, dummes Kind«, sagte er leise.
    Dann sah er verwundert zu Deirdre, die jetzt haltlos schluchzte. Victor wunderte das. Natürlich hatten sie sich alle an ihre seltsamen Hausgäste gewöhnt und empfanden ihren Weggang als schmerzlich. Aber dass es Deirdre nun so mitnahm …
    »Was ist denn, Deirdre?«, fragte er sanft.
    Seine Frau sprang auf. »Nichts!«, rief sie. »Gar nichts … ich … es ist wirklich gar nichts, schick mir einfach Amali, wenn sie die Pferde versorgt hat …«
    Dann rannte sie die Treppe hinauf, warf sich auf ihr Bett und weinte, weinte und weinte. Draußen vor der Bucht setzte die Mermaid die Segel. Das Ziel war ein Handelsschiff, das Seegalls Späher im Hafen von Cap-Français ausgemacht hatten – beladen mit Tabak, bestimmt für Paris. Die Mermaid folgte ihm nach Norden …

FELS IM NEBEL
    Das Karibische Meer
    Saint-Domingue – Cap-Français, Nouveau Brissac,
    Roche aux Brumes
    Frühjahr bis Herbst 1756

KAPITEL 1
    J efe und Bonnie hatten sich verändert, seit sie in Cap-Français gelebt hatten. Es fiel nicht sehr auf, nur ein so genauer Beobachter wie der umtriebige Quartiermeister Sanchez bemerkte, um wie viel ehrgeiziger Jefe geworden war. Vor seinem Aufenthalt in Saint-Domingue hatte er sich nie großartig darum gekümmert, welche Schiffe die Mermaid verfolgte und enterte. Natürlich hatte er sich immer über reiche Beute gefreut, aber ob es viel oder wenig war, schien ihm egal gewesen zu sein – das Geld war ihm ohnehin gleich zwischen den Fingern zerronnen wie den meisten anderen Piraten. Sie gaben es für Frauen und vornehme Gewänder aus, in denen sie stolz wie die Pfauen in den Häfen herumspazierten.
    Jetzt jedoch hielt »Black Caesar« sein Geld zusammen, und neuerdings wollte er mitreden, wenn es darum ging, ob man sich um einen Segler »kümmern« sollte, der gerade mal eine Ladung Zuckerrohr nach England bringen wollte, oder ob man sich an die Verfolgung eines Schiffes machte, das besser bewachte Luxusgüter transportierte. Der große Schwarze plädierte dabei immer für die lohnenswertere Prise und das höhere Risiko, und obendrein wirkte er auf die Mannschaft ein, den Posten des Leutnants erneut zu besetzen. Die Männer sollten ihn dazu wählen oder Sanchez. Falls es der Mulatte würde, wollte Jefe sich um den Job als Quartiermeister bewerben. Beide Posten brachten größere Anteile an der Prise – und Jefe damit näher an seine erträumte Zukunft mit der Frau seines Herzens.
    Bonnie bemerkte natürlich auch, dass Jefe sein Geld neuerdings sparte, und freute sich darüber. Sie war ungern mit ihm auf die Mermaid zurückgekehrt. Sehr viel lieber hätte sie einen Laden in Cap-Français aufgemacht. Aber ohne Jefe hatte das alles keinen Sinn, sie hätte sich auch gar nicht zugetraut, ganz allein ein Geschäft zu führen. Schließlich war sie nicht Máanu. Und als Jefe ihr dann vorhielt, dass ihr Geld nur knapp für die Geschäftsgründung reichte und dass man ein viel besseres Leben haben könnte, wenn man noch etwas mehr sparte, war es um

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