Die Insel der roten Mangroven
selbst wenn das gut geht, es wird uns Opfer kosten, mehr noch als die Bonne Marie vor ein paar Monaten. Ist es das wert?«
Bonnie nickte ernst. »Doch, Quartiermeister!«, erklärte sie jetzt mit deutlich festerer Stimme. »Wenn wir hinterher reich sind. Wenn Caesar …«
Sanchez seufzte. »Caesar hat dir was versprochen, ja? Worum geht es denn, Kleiner? Will er die Mermaid übernehmen? Sie dem Captain abkaufen? Das war ja wohl vorher schon mal im Gespräch. Und du wirst dann Quartiermeister?«
Bonnie lachte. »Ach was!«, gab sie zurück und räusperte sich schnell, weil sie mit fast normaler Stimme gesprochen hatte. Das war etwas, das sie sich abgewöhnen musste, Bobbie konnte nicht ewig im Stimmbruch bleiben … Aber jetzt war ja sowieso bald alles vorbei. »Nein, Caesar und ich gehen an Land. Am liebsten in Saint-Domingue. Da war es ganz schön. Und wir machen uns mit irgendwas selbstständig. Caesar meint, bei so viel Geld, dareicht es für ein … ein richtiges Handelshaus. Was will er noch werden …? Import-Export-Kaufmann.«
Sanchez verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln. Wie ernsthaft der Junge das erzählte, und was er sich wohl darunter vorstellte! Der kleine Bobbie als Kaufmann? Als harter Verhandlungspartner für Kapitäne, Pflanzer, Schiffseigner? Caesar hätte er das eher zugetraut. Trotzdem war der Plan größenwahnsinnig. Hatte man je von einem internationalen Handelshaus gehört, das von zwei Schwarzen geleitet wurde?
»Und wie wollt ihr das mit dem Sklavenhandel handhaben?«, fragte er hart. »Meines Wissens ein wichtiger Zweig des Fernhandels … Bobbie, wach auf! Egal, wie viel Geld ihr habt, mehr als ein kleines Geschäft in einem Hafen ist für Nigger nicht drin …«
»In den französischen Kolonien gibt es freie Nigger!«, erklärte Bonnie im Brustton der Überzeugung.
Sanchez verdrehte die Augen. »Klar. Doch sie besitzen nicht gerade die großen Tabakplantagen, oder? Bobbie, denk nach! Warum war Blackbeard Captain und Black Caesar Leutnant? Warum gibt es keinen einzigen schwarzen Freibeuter, der es zu einem eigenen Schiff brachte? Das gilt im Übrigen auch für braune Freibeuter …« Der Mulatte wies auf sich selbst.
»Aber Caesar meint …« Bonnie fühlte sich überrumpelt.
»Caesar meint, weil er es mit ’ner schönen weißen Frau treibt, wär er der Herr der Welt!«, höhnte Sanchez. »Wo hat er die überhaupt aufgegabelt? Wollte ich dich schon immer mal fragen, er selbst hüllt sich ja in Schweigen …«
»Mit ’ner … was?« Bonnie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
Sanchez lachte. »Nun sag nicht, das hat er auch vor dir verheimlicht? Ich glaub’s nicht! Vor seinem besten Freund! Muss also wirklich was Ernstes sein. Du wirst sie doch mal gesehen haben. Ist ’ne bildschöne Frau, schwarze Locken, grüne Augen.Das sieht man selten. Und hockte auf ihrem Schimmel wie ’ne leibhaftige Fee … während Caesar ihr auf einem Braunen hinterherhoppelte …«
Bonnie atmete auf und rang sich ein gezwungenes Lachen ab. »Ach, die meinst du … Das ist die Frau von dem Arzt, der mich behandelt hat. Der Doktor hat Caesar im Stall schlafen lassen, und dafür hat er bei den Pferden geholfen. Als … als Reitknecht.«
Bonnie wusste, dass Jefe das peinlich gewesen war. Aber sich so eine abenteuerliche Geschichte auszudenken … Jefe und Mrs. Dufresne – das war völlig undenkbar.
Sanchez tippte sich an die Stirn. »Geritten hat er das Weib todsicher«, bemerkte er. »Mensch, Bobbie, hast du denn keine Augen im Kopf? Den beiden stand’s doch auf der Stirn geschrieben. Und wir waren noch nicht ganz abgerudert, Pitch und ich, da haben die sich schon im Sand gewälzt. Kannst Pitch ja fragen. Was hast du denn, Bobbie? Ist dir nicht gut?«
Bonnie musste sich an ihrer Kanone festhalten, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und Sanchez drehte das Messer in ihrer Wunde arglos weiter herum.
»Na ja, seitdem ist er so, unser Caesar … Sparsam, häuslich, mit großen Hirngespinsten! Jetzt versteh ich’s natürlich. Die Gattin vom Doktor! Mann, damit die ihren Alten verlässt, muss man der schon was bieten!«
Bonnie stöhnte. Aber sie tat es leise, sie blieb beherrscht. Weshalb sollte es Bobbie auch etwas ausmachen, dass Caesar ihn mit Deirdre Dufresne betrog? Dass er ihn belogen und ihm falsche Versprechungen gemacht hatte? Bonnie allerdings – der machte es etwas aus! Jefe hatte ihr nicht nur das Herz gebrochen, sondern sie auch von
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