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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Ruhe mit ihrem Sohn reden zu wollen. »Was weiß ich denn, Jefe! Denk dir selbst etwas aus! Fahr zur See oder …«
    Jefe schnaubte. »Auf einem Handelsschiff, Mom?«, fragte er spöttisch. »Vielleicht einem, das Sklaven aus Afrika bringt?«
    Máanu hob die Hände – eine erst hilflose Geste, die sie dann auflöste, indem sie vorgab, etwas an dem leuchtend roten Turban richten zu müssen, unter dem sie ihr Haar verbarg. Jefes Mutter war nach Sitte der Inseln gekleidet. Sie trug einen weiten roten Rock und eine schlichte Leinenbluse neben dem auffallenden, aber praktischen Kopfputz.
    »Es wird wohl auch welche geben, die keine Sklaven transportieren. Oder frag einen Handwerker, ob du ihm zur Hand gehen kannst, vielleicht auf einer Plantage …«
    »Dann kann ich ja gleich Zuckerrohr schneiden!« Jefe sprang auf. »Ich arbeite für keinen dieser Backras!« Er spuckte das Wort für die weißen Herren aus. »Ich lass mich nicht auspeitschen und erniedrigen, ich …«
    »Du bist frei, und niemand wird dich auspeitschen«, gabMáanu zurück. »Aber dass ein Lehrherr einem Lehrjungen mal eine Backpfeife gibt, wie es damals der Schmied getan hat, damit müssen sich auch weiße junge Männer abfinden.«
    Bonnie erinnerte sich, dass Jefes Ausbildung zum Hufschmied zwei Jahre zuvor an so einer Angelegenheit gescheitert war. Frazer Watts, der Hufschmied, gehörte zu den wenigen Bewohnern der Hafensiedlung, die ehrlich und umgänglich waren. Er war selbst Mulatte und hatte nichts dagegen gehabt, den schwarzen Jungen in die Lehre zu nehmen. Allerdings war er nicht mit Jefe zurechtgekommen. Máanus Sohn hasste es nun mal, sich etwas befehlen zu lassen. Ein Ashanti-Krieger, so ließ er Mr. Watts wissen, habe es nicht nötig, sich unterzuordnen. Watts hatte ihm daraufhin eine Ohrfeige versetzt und sah sich unversehens einem wutschnaubenden Lehrling gegenüber, der ihn mit einer glühenden Zange bedrohte. Watts hatte Máanu daraufhin erklärt, dass er sich keinen Ashanti-Krieger als Lehrjungen wünsche. Jefe solle sich benehmen oder wegbleiben. Der hatte die Schmiede daraufhin nie mehr betreten.
    »Nun fang nicht wieder damit an!«, seufzte Jefe. »Ich beschlage auch nicht die Gäule der weißen Backras! Wenn ich den alten Watts schon höre: ›Sicher, Mister Sowieso!‹ ›Gern, Mister Was-weiß-ich!‹ ›Selbstverständlich, Mister Wie-auch-immer!‹ … Da kommt mir die Galle hoch!«
    »Höflich sein bedeutet nicht, sich zu erniedrigen!«, fiel ihm Máanu ins Wort, aber dann fiel ihr Blick auf den Eingang, und sie sah Bonnie durch den Fliegenvorhang spähen. Sofort verzog sich ihr strenges Gesicht zu einem Lächeln. Sie war immer freundlich und sanft zu der jungen Sklavin.
    »Hallo, Bonnie, komm doch herein!«, lud sie das Mädchen jetzt ein. »Du musst keine Angst haben, weil ich mit Jefe schimpfe, er hat’s verdient.« Dabei blitzte sie ihren Sohn an, der das mit einem gelangweilten Grinsen quittierte.
    »Oh, wie siehst du denn aus, Bonnie!« Máanu warf einenentsetzten Blick auf Bonnies zerschlagenes Gesicht, und sicher konnte sie sich auch einen Reim auf ihre schleppenden Bewegungen machen. »Hat der Kerl dich wieder geschlagen?«
    Bonnie biss sich auf die Lippen. Máanu drohte immer mal wieder damit, Backra Skip bei der Obrigkeit anzuzeigen. Es war verboten, seine Sklaven ohne Grund zu misshandeln. Doch wirkliche Konsequenzen hatten solche Anzeigen nie, und für Bonnie würde es die Sache eher schlimmer machen.
    »Bin ausgerutscht«, behauptete sie also. »Auf der Treppe.«
    Máanu zog die Augenbrauen hoch. »Bonnie, das Haus deines Backras hat keine Treppen«, sagte sie, ging dann aber nicht weiter auf die Angelegenheit ein. »Jetzt setz dich erst mal – und warte, ich hol dir was zu essen. Du bist so mager, Kind …«
    Geschäftig verschwand sie in ihren Wohnräumen, die gleich hinter dem Laden lagen. Dort köchelte fast immer irgendetwas Köstliches auf dem Herd – und fügte seinen Duft den ohnehin schon verlockenden Gerüchen der Waren hinzu. Bonnie schaute Máanu erwartungsvoll nach. Ihre Magerkeit lag zwar nicht an Mangelernährung – Bonnie war immer dürr gewesen, egal, wie viel sie aß –, und mit ihren sechzehn Jahren wuchs sie vielleicht auch noch ein bisschen. Aber an diesem Morgen hatte sie tatsächlich nicht die Kraft aufgebracht, mehr zu frühstücken als einen alten Kanten Brot. Außerdem liebte sie Máanus Essen. Hier gab es keine einfallslosen Eintöpfe, kein angekokeltes Fleisch, wie Bonnie

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