Die Insel der roten Mangroven
verschwörerisch und bog um die Ecke der Spelunke. »Lass uns gucken, wen wir hier ärgern können …«
Vor ihnen lag das Haus des Hafenmeisters. Es war jetzt verwaist, Mr. Benton war bei der Arbeit und seine Frau wohl noch beim Einkaufen. Allerdings kühlte eine Pastete auf dem Fensterbrett ihrer Küche aus … Jefe wischte sie im Vorbeigehen herunter. Das Backwerk fiel in den Garten, die Form zersprang. Über den Inhalt würden sich bestimmt gleich die kleinen dunklen Schweine hermachen, die viele Bewohner der Insel hielten. Sie liefen frei in den Gassen umher und ernährten sich von den Abfällen, die die Leute einfach aus den Häusern warfen. Ihr Grunzen und Schmatzen und der Gestank ihrer Ausscheidungen machten die Siedlung nicht gerade zu einem besonders angenehmen Ort.
»Oh … Zu schade, kein Mittagessen heute für den Sklaventreiber Mr. Benton«, wisperte Jefe höhnisch.
Bonnie sah sich ängstlich um. Auf keinen Fall wollte sie bei solchem Schabernack ertappt werden. Doch die Straße war wie ausgestorben – bis auf ein paar Pferde, die hinter einem der Bordelle zwei Blocks weiter angebunden waren. Eines davon war ein imponierender Rappe, er trug einen kostbaren, mit Silber beschlagenen Sattel.
»Da schau an, unser Mr. Lewis …« Jefe sah sich kurz um, trat dann zu dem Pferd und durchtrennte die Zügel, mit denen es angebunden war, mit einem raschen Schnitt seines Messers. »Der Sattel könnte nicht protziger sein. Aber wie dumm, dass Pferde sich manchmal losreißen …«
Der Rappe, der bislang keine Anstalten gemacht hatte, sichzu befreien, begrüßte die Bewegungsfreiheit und wanderte gemächlich mit entspannt gesenktem Kopf die Straße entlang. Er würde nicht weit weglaufen, doch er suchte erkennbar eine geeignete Stelle, um sich zu wälzen. Dem Sattel würde das nicht gerade guttun.
Bonnies erster Impuls war, sich ihrerseits in Trab zu setzen und wegzurennen. Dieser Streich konnte sie teuer zu stehen kommen … Jefe ging jedoch nur feixend weiter, als könnte ihm nichts passieren.
»Mr. Lewis wird sehen, dass die Zügel durchgeschnitten wurden«, sagte Bonnie ängstlich. Lewis war der Besitzer eines der Bordelle, und mit seinem Zorn war sicher nicht zu spaßen.
Jefe zuckte die Schultern. »Er wird Bromsley verdächtigen«, erwiderte er. Bromsley gehörte das andere Bordell. »Womöglich prügeln sie sich, dann hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen …«
Bonnie folgte ihm weiter durch die Straßen, aber sie fühlte sich kein bisschen sicher. Sie konnte auch nicht darüber lachen, als Jefe einen Hühnerstall öffnete und dann einen angeketteten Hund freiließ, der sich gleich auf die Jagd nach den Hennen machte. Wobei dieser einem Mulatten gehörte, der sicher Ärger bekam, wenn sein Hund die Hühner seines weißen Nachbarn riss. Jefe machte jedoch kaum Unterschiede, er schien gegen alle Bewohner der Siedlung einen mehr oder weniger ausgeprägten Hass zu hegen.
»Alles Dummköpfe und Duckmäuser«, murmelte er, während er an der Schmiede vorbeiging und Mr. Watts’ Abwesenheit nutzte, um ein paar Hufnägel und fertig geschmiedete Eisen wie nebenbei in die Glut auf der Esse zu werfen.
Bonnie war froh, als sie die Siedlung hinter sich ließen und in die Straße zur Metzgerei einbogen.
Jefe grinste sie an. »Besser?«, fragte er. »Wir haben’s ihnen gezeigt, ja?«
Um ihn nicht zu verärgern, nickte das junge Mädchen beklommen. Aber Bonnie fühlte sich in keiner Weise erleichtert. Sie fand Jefes Streiche nur kindisch und albern.
Rache, wirkliche, ernsthafte Rache an Leuten, die sie verdienten, sah anders aus.
KAPITEL 4
A ls Deirdre sich im festlich geschmückten, hell erleuchteten Ballsaal unter die Gäste mischte, fand sie sich gleich von einer Traube von Gratulanten umringt. Die meisten davon waren natürlich männlich, aber auch die Mädchen unter den jungen Gästen suchten ihre Nähe – schon um selbst ebenfalls gesehen zu werden. Viel Zeit zur Kontaktaufnahme blieb allerdings nicht. Der Abend begann mit einem Bankett, zu dem Nora die Gäste nun gleich in den angrenzenden Speiseraum bat. Adwea nörgelte schon seit einer halben Stunde, weil ihre Braten angeblich erkalten und ihre Soufflés zusammenfallen würden, wenn man nicht endlich beginne. Nora lächelte, als sie daran dachte, was Deirdre sich von der alten Köchin würde anhören müssen, sollte es wirklich zu Qualitätseinbußen kommen. Den Gästen fiel natürlich nichts auf. Adweas Kochkunst glich
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