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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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dabei ein mörderisches Tempo vor. Jefe und die anderen Sklaven mussten sich fast die ganze Zeit im Laufschritt bewegen, um mit dem leichten Trab seines Pferdes mitzukommen. Er hatte ein Seil durch die Handfessel des ersten Mannes jeder Gruppe gezogen und führte sie jetzt links und rechts seines Pferdes mit, als hielte er Hunde oder ein Handpferd an der Leine. Die Männer mussten höllisch aufpassen, nicht hinzufallen. Sie waren zwar alle stark und an körperliche Anstrengungen gewöhnt, aber in Ketten in gleichmäßigem Tempo hintereinander her zu laufen war nicht einfach. Die Eisenschellen scheuerten zudem an den Fußgelenken. Zur Mittagszeit, als Oublier kurz anhielt und etwas Brot, Käse und Wasser an die Männer verteilte, hatten alle blutende Wunden. Oublier trieb sie trotzdem weiter.
    »Lassen sie einem die Ketten immer an?«, fragte Jefe den offenbar erfahrenen Sklaven Pierrot. »Auch beim Arbeiten?«
    Pierrot schüttelte den Kopf. »Nein, stört«, meinte er. »Dann weniger Zuckerrohr schneiden, verstehen? Gewöhnlich machen ab in Sklavenquartier auf Plantage. Aber diese Mèz ist Schinder. Weiß keiner, was ihm fällt ein …«
    Oublier beabsichtigte, seine neuen Arbeiter zu zermürben. Gerade die renitenten unter ihnen sollten gleich sehen, was sie erwartete, wenn sie nicht spurten. Jefe war nach diesem langen, ermüdenden Tag auch erst mal glücklich, als sie die Hüttensiedlung, die zu der Plantage Roche aux Brumes gehörte, nach einer weiteren Stunde Marsch erreichten.
    Am Haupthaus, einem monumentalen Bau mit Säulen und marmorner Freitreppe, waren sie vorher vorbeigelaufen. Es lag auf einem Hügel, der sich weit über das Tal erhob, in dem sich der größte Teil der Plantage befand. Dort also lebte Oublier? Jefe wunderte sich ein bisschen darüber, dass er nicht wenigstens einen Abstecher ins Haus machte, um seine Familie zu begrüßen, bevor er die neuen Sklaven in ihrem Quartier ablieferte. Letzteres lag in einer Art Wäldchen – man hatte einen Teil der Palmen und Farngewächse, die hier früher gestanden hatten, einfach nicht abgeholzt, um zwischen den Hütten zusätzlich Schatten zu spenden, primitiven Hütten aus Holz und Lehm, nur das Fundament war gemauert.
    Um die Hüttensiedlung herum gab es ein paar stabilere Häuser, in denen wohl die Aufseher untergebracht waren. Die Bauten wirkten nicht viel komfortabler als die der Sklaven, aber natürlich hatte jeder eine Behausung für sich und musste sie nicht wie die Schwarzen mit mehreren Mitbewohnern teilen. Die Häuser waren im Kreis um die Hütten der Schwarzen aufgestellt, was die Bewachung der Sklaven erleichterte. Natürlich würden die Männer die Umgebung ihrer Wohnungen nicht pausenlos im Blick haben, die Sklaven wussten jedoch, dass sie, um das Quartier zu verlassen, zwischen den Häusern zweier Aufseher hindurchmussten – Bauten, zu denen geräumige Veranden gehörten, auf denen leicht jemand im Schatten sitzen und müßig auf den Weg schauen konnte …
    Jefe bemerkte das sofort, und auch Pierrot schien trotz aller Müdigkeit die Lage abzuschätzen. Letztlich waren sie aber beide froh, als sie sich endlich vor der zentralen Küche für die Sklaven, einem offenen Gebäude, in dem über großen Feuern Eintopf köchelte, zu Boden fallen lassen konnten.
    »Hier schlaft ihr heute Nacht«, erklärte Oublier kurz, ohneAnstalten zu machen, die Männer von ihren Ketten zu befreien. »Könnt euch in der Küche unterstellen, wenn’s regnet. Und morgen nach der Arbeit baut ihr euch neue Hütten … wobei eine schon steht, vier Kerle können also morgen Abend gleich in ein gemütliches Heim ziehen. Die vier, die am besten arbeiten. Also, esst jetzt was, schlaft, und morgen schauen wir mal, wer die meisten Setzlinge in den Boden kriegt.«
    Damit überließ er die Männer sich selbst – und lenkte sein Pferd zur Verwunderung der Neuen nicht in Richtung Haupthaus, sondern zu einer der Hütten, die den Aufsehern gehörten. Jefe schwante etwas. War Oublier etwa gar nicht ihr neuer Backra oder, wie man hier sagte, Mèz?
    Pierrot machte sich andere Gedanken. »Setzlinge? Wahrscheinlich sie wollen vergrößern Plantage. Und geht um Zuckerrohr, Bruder, nicht Tabak … Merde  … beides harte Arbeit, aber Zuckerrohr mehr.«
    Jefe nickte. Er wusste nichts über Tabak, doch Zuckerrohrplantagen kannte er aus Grand Cayman. Vage Erinnerungen an seinen Vater stiegen in ihm auf. Die endlosen Felder, die staubigen Wege, rechts und links gesäumt von den

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