Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
übermannshohen Gräsern. Wogendes Grün, durch das Máanu ihn geführt hatte, bevor sie endlich in dem verkommenen, schmutzigen Sklavenquartier angekommen waren, in dem sein Vater hauste. Die ungelenke Begrüßung seiner Eltern – nach einem Jahr der Trennung war es schwer gewesen, wieder miteinander warm zu werden. Aber Jefe hatte Akwasi bewundert und zu ihm aufgeschaut, diesem riesigen Schwarzen mit seinen ungeheuren Muskeln, der irgendwann im Laufe des Weihnachtstages immer zu erzählen begann. Von Nanny Town, von Aufständen, von Freiheit – von Flucht.
    »Also erweitern sie die Pflanzung«, überlegte Jefe und dachte darüber nach, wie sich das auf eventuelle Fluchtmöglichkeiten auswirken würde. Vielleicht grenzten die neu gerodeten Flächenja an Urwald, in dem es leicht war, sich abzusetzen? »Deshalb die zehn neuen Sklaven – und vier weitere, um alte zu ersetzen. Was mag wohl mit den Männern geschehen sein, die in der freien Hütte geschlafen haben?«
    »Na, was schon? Tot.« Die ältere, rundliche Sklavin, die den Neuen jetzt große Schüsseln mit Eintopf brachte und auch gleich eine Salbe für die aufgescheuerten Fußgelenke bereithielt, gab kurz und bündig Auskunft. »Ein bei Unfall, Bäume fällen. Zwei an Fieber … hier viel Fieber, sehr feucht …« Das Sklavenquartier lag in einer Senke unterhalb des Herrenhauses, und der Boden war morastig. Jefe verscheuchte eben zum wiederholten Mal eine Unzahl dicker Schmeißfliegen von seinem verletzten Knöchel. Hitze und Feuchtigkeit … ein Klima, wie die Biester es liebten. Auch für Stechinsekten musste dieses Sklavenquartier ein Paradies sein. »Und ein gehenkt. Weil hat versucht, auf Aufseher zu gehen los.«
    »Dafür gleich gehenkt?«, fragte Pierrot verwundert. »Ein Feldsklave? Noch jung? Der doch viel Geld wert!«
    Die Köchin zuckte die Schultern. »Das nicht wichtig für Mèz Oublier und neue Mèz von Haus. Hat gesagt komische Wort: Wichtig, Exempel statuieren. Damit wir nicht alle machen nach …« Sie verzog den Mund zu einem schrägen Lächeln.
    »Mèz Oublier ist also gar nicht der Pflanzer?«, erkundigte sich jetzt Jefe.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein. Mèz Oublier Oberaufseher. Kam mit neue Mèz, der geheiratet Tochter von alte Mèz. Alte Mèz tot …« Sie seufzte, als ob sie das bedauere.
    »Und was ist für ein Plantage?«, fragte Pierrot. »Mèz Oublier sagen Zuckerrohr. Aber das hier doch Kaffeeland, nicht?«
    Die Frau nickte. »Hier beides. Und der alte Mèz nur hatte Kaffee, aber der junge jetzt auch pflanzen Zuckerrohr. Dafür neues Land gerodet, und arme Jimi gefallen Baum auf Kopf.« Der bei dem Unfall umgekommene Sklave schien ihr am Herzen gelegen zu haben. Sie bekreuzigte sich jetzt auch, als sie von ihm sprach. Dann wies sie die Gruppe an, sich gleich unter das Dach ihrer Küche zu begeben. »In Nacht immer Regen. Besser gleich da hinlegen …«
    Sie sollte Recht behalten. Gleich bei Sonnenuntergang ging ein Platzregen nieder, der das Sklavenquartier fast überschwemmte. Jefe wurde schlagartig klar, was den schnellen Einzug in eine Hütte zu einem solchen Privileg machte – beim Kommen hatte er noch gedacht, dass es ihm nichts ausmachen würde, auch langfristig draußen zu nächtigen. Aber hier lief das Wasser offensichtlich bei Regen in jedes nicht geschlossene Gebäude. Der Boden der offenen Küche war gleich überflutet, zu allem Übel liefen auch die Latrinen über, die aus unerfindlichen Gründen inmitten der Siedlung und nicht außerhalb angelegt waren. Die Männer kämpften die ganze Nacht über gegen Nässe und übel riechenden Schlamm.
    Am Morgen zog dies natürlich gleich wieder Tausende von Fliegen an, die auch das Essen umschwirrten. Immerhin musste niemand hungern. Ein halbes Dutzend Köchinnen, angeführt von der rundlichen Sklavin, die sie am Abend zuvor schon kennengelernt hatten und die alle Charlene nannten, versorgten die Schwarzen großzügig mit Hirsebrei, Reis und Bohnen auf Fladenbrot.
    Die Aufseher speisten an einem Tisch für sich, ließen sich zusätzlich Früchte und Fleisch schmecken und beobachteten schon jetzt die Sklaven.
    »Sie nicht können hören, was wir sagen«, raunte Charlene den Neuen zu. »Aber sie so tun. Und ich glauben, Mèz Oublier hat Spitzel. Also, Vorsicht …«
    Jefe fragte sich, ob auf allen Plantagen ein solcher Terror herrschte oder ob er es nur mit einem besonders vorsichtigen Pflanzer und außergewöhnlich grausamen Aufsehern zu tun hatte. Er versuchte

Weitere Kostenlose Bücher