Die Insel der roten Mangroven
Plantagenarbeiter, der die Männer zuvor eingeführt hatte, schien diese Worte gehört zu haben und warf Jefe einen Seitenblick zu. Jefe erwiderte ihn hochmütig. Vielleicht riskierte er damit, dass der Mann ihn melden würde, obwohl er nicht wusste, was an seiner Äußerung verboten gewesen war. Aber auch wenn Oublier ihn auspeitschte – er würde sich nicht den Mund verbieten lassen!
Dann geschah allerdings nichts mehr, der Rest des Tages verging ohne besondere Vorkommnisse. Für Jefe und die anderen Männer verschwamm er schließlich zu einer Art bösem Traum, ihre Rücken schmerzten, die Arme wurden schwer, und die Menge der Setzlinge schien kein Ende zu nehmen. Dabei sollte das Auspflanzen des Zuckerrohrs noch gar nicht die schwerste Arbeit gewesen sein. Pierrot erklärte, dass es sehr viel anstrengender würde, die meterhohen, harten Halme später zu schneiden. Aber die Sonne setzte den Männern zu, Jefe meinte, noch nie eine solche Hitze erlebt zu haben. Dabei war er in der Karibik aufgewachsen und hatte schon früher schwer gearbeitet. Pierrot bestätigte allerdings seinen Eindruck, als er das anmerkte.
»Hier feucht. Felder in Senke, genau wie Dorf. Und jede Nacht regnet, Boden nie richtig trocken, deshalb Hitze heißer …«
Jefe verstand, was er meinte. Die Luft war geschwängert mit Feuchtigkeit, es schien, als atme man Wasser und als trockne der Schweiß nicht auf der Haut. Für die Pflanzen mochte das gut sein, die Menschen hingegen brachte es um. Jefe dachte an die zwei Männer, die am Fieber gestorben waren. Er musste unbedingt weg, bevor er zu schwach dazu wurde.
An diesem Abend jedoch dachte ganz sicher niemand der Neuen an Flucht. Jefe sehnte sich nur noch nach Essen und Ruhe. Schatten gab es jetzt immerhin, Oublier hatte die Männer erst bei Sonnenuntergang zur Rückkehr zusammengetrieben. Bevor es losging, inspizierte er kurz die Arbeit jedes Einzelnen und bestimmte die vier Glücklichen, die an diesem Abend keine Hütte mehr würden bauen müssen. Jefe, Pierrot und Abel waren erwartungsgemäß nicht darunter.
»Wie baut man denn überhaupt eine Hütte?«, fragte Jefe resigniert, während er sich neben Pierrot in Richtung Sklavenquartier schleppte.
Sein Freund musterte ihn mit gerunzelter Stirn. »Wo du denn kommst her?«, fragte er verwundert. »Weiß doch jeder, wie bauen Hütte!«
Jefe wusste es nicht, aber die Männer sollten zum Hüttenbau ohnehin Vierergruppen bilden, und so schloss er sich Pierrot an. Abel trottete ebenso hinter ihm her, wovon Pierrot sichtlich nicht begeistert war.
»Ich den nicht will haben dabei. Der nur machen Ärger!«, gab er zu bedenken.
Jefe hob die Schultern. »Es muss sich einer um ihn kümmern«, erwiderte er. »Wenn auf den keiner aufpasst, schlägt der Mèz ihn tot, bevor er auch nur halbwegs kapiert, was er hier tun soll.«
Pierrot seufzte, musste jedoch zugeben, dass sie sich mit Abel den besten Arbeiter der acht verbleibenden neuen Sklaven gesichert hatten. Abel setzte in Windeseile die hölzernen Eckpfeiler – die anderen mussten nur darauf achten, dass er sie auch in rechtem Winkel zueinander anordnete. Schließlich maß Jefe die Hütte aus und achtete darauf, dass der Fußboden eben war und das Mauerwerk gleichmäßig hochgezogen wurde. Die Sklavenhütten der Karibik bestanden nicht ganz aus Stein, sondern wurden nur hüfthoch gemauert. Darüber baute man mit Holz und füllte die Räume zwischen den Verstrebungen, die das Dach hielten, mit Lehm aus. Im Allgemeinen pflegte der im täglichen Sonnenschein schnell zu trocknen, aber in diesem Teil der Insel würde das wegen der hohen Luftfeuchtigkeit sicher dauern.
Jefe machte sich denn auch Sorgen und dachte an andere Baumaterialien, während sie mauerten. Die Hütte in dieser Nacht noch fertigstellen zu können war aussichtslos, obwohl auch der Vierte im Bunde schnell und geschickt arbeitete. David, wie er sich vorstellte, war auf dem Feld der Langsamste gewesen. Sein Rücken wies fast so viele Striemen auf wie der von Pierrot – David hatte jedoch keine Vergangenheit als Ausbrecher. Und er sprach fast perfekt Französisch.
»Ist sinnlos«, erklärte er, als Jefe ihn nach Fluchtmöglichkeiten fragte. »Man kommt nicht weg. Aber ich mach es mir hier ruhig. Ich tu nicht mehr für die, als muss ich tun. Und ich mag Mädchen. Sicher finde ich bald ein Mädchen.«
Jefe lächelte in sich hinein, musste jedoch zugeben, dass David ein gut aussehender Bursche war. Er war ein wenig hellhäutiger
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