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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Halbbruder, Deirdre«, sagte Nora leise. »Ihr habt denselben Vater.«
    »Akwasi war Sklave auf der Plantage meines damaligen Mannes.« Zum ersten Mal erzählte Nora ihrer schockierten und völlig demoralisierten Tochter alle Einzelheiten ihrer Geschichte.Der Tropenregen tropfte auf das Dach des Schuppens und verwischte die Spuren, die Jefe und die Frauen hinterlassen hatten. »Und er liebte mich. Während Máanu, meine Zofe, ihn liebte. Eine verfahrene, verzweifelte Situation, von der ich obendrein nichts ahnte. Dann flohen beide zu den Maroons, es kam zu jenem Überfall auf Cascarilla Gardens, bei dem mein Mann ums Leben kam. Die Maroons hätten mich auch getötet, Akwasi bestand jedoch darauf, mich mitzunehmen. So kamen wir alle nach Nanny Town, dem legendären Maroon-Dorf, das als uneinnehmbar galt. Akwasi hielt mich als seine Sklavin, aber dann, als ich mit dir schwanger wurde, bestand Granny Nanny darauf, dass er mich zur Frau nahm. Nach afrikanischem Ritus nahm er zur selben Zeit auch Máanu zur Frau – bei den Ashanti können Männer mehrere Ehefrauen haben. Auch sie wurde schwanger, drei Monate nach deiner Geburt brachte sie Jefe zur Welt. Máanu und ich zogen euch mehr oder weniger gemeinsam auf. Ihr war das gar nicht so recht, aber ihr wart unzertrennlich. Jefe hing mehr an meinem Rockzipfel als an dem seiner Mutter, so ist es kein Wunder, dass ihr euch auch heute noch zueinander hingezogen fühlt.«
    »Und dann hat Daddy dich und mich geholt«, meinte Deirdre sich zu erinnern.
    Nora biss sich auf die Lippen. So hatten sie es ihr als Kind erzählt, doch es war ein wenig anders gewesen. »Doug hat sich nach Nanny Town durchgekämpft und wollte uns holen. Ja. Aber er wurde ergriffen und gefangen genommen – es war eine dramatische Geschichte. Doug ist damals nur knapp mit dem Leben davongekommen. Und Akwasi fiel in Ungnade bei Granny Nanny, er wurde verstoßen. Máanu, die ihn über alles liebte, lief ihm nach, wobei sie Jefe zurückließ. Doug und ich kehrten mit euch Kindern heim nach Cascarilla Gardens. Wir versprachen Granny Nanny, euch beide wie unsere eigenen Kinder aufzuziehen.«
    Deirdre runzelte die Stirn. »Das wäre mit Caesar … Jefe … doch, der Name klingt vertraut … aber schwer gewesen«, wandte sie ein, »so schwarz, wie er ist.«
    Nora nickte. »Es kam ja auch nicht dazu. Tatsächlich plante Akwasi ein Attentat auf den Gouverneur von Jamaika. Máanu verhinderte es in letzter Minute. Und da auch Doug sich für Akwasi einsetzte, wurde er nicht gehenkt, sondern nach Grand Cayman verbannt. Máanu bestand darauf, ihm dorthin zu folgen – mit Jefe. Der Gouverneur stellte Mutter und Sohn einen Freibrief aus.«
    »Ja«, murmelte Deirdre. »Da kam er her … Caesar. Seine Mutter hatte einen Gemischtwarenladen auf Grand Cayman … Also ist es … es ist kein Irrtum …« Sie rieb sich die Schläfen.
    Nora schüttelte den Kopf. »Nein, ein Irrtum ist unmöglich, wir, also Doug und ich, haben Jefe sofort erkannt. Er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Also finde dich damit ab, Deirdre. Du kannst Jefe oder Caesar oder wie auch immer er sich nennen mag, nicht so lieben, wie eine Frau einen Mann liebt. Diese unselige Affäre mit ihm endet hier und heute.« Sie legte den Arm um ihre Tochter, als sie Tränen in Deirdres Augen sah.
    »Aber was soll ich ihm sagen?«, flüsterte Deirdre.
    »Was du willst«, erwiderte Nora. »Sag ihm ruhig die Wahrheit, obwohl das natürlich Komplikationen nach sich ziehen könnte. Wenn er über deine Abkunft Bescheid wüsste, könnte er Victor und dich erpressen. Denn ich gehe doch recht in der Annahme, dass ihr den Dufresnes auf Nouveau Brissac ebenso wenig die Wahrheit über deine Abstammung gesagt habt wie denen auf Roche aux Brumes, oder?«
    Deirdre nickte. »Aber wir könnten ihn freikaufen«, meinte sie. »Wir könnten ihn immerhin freikaufen.«
    »Mit welcher Begründung?«, fragte Nora hart. »Und wofür wäre es gut? Doug und ich haben schon darüber gesprochen, Deirdre, bevor ich … hinter eure Beziehung kam. Jefe büßt hierdie Strafe für ein Verbrechen ab, das ihn als Weißer den Kopf gekostet hätte. Wenn wir ihm die nun erlassen … Wo würde er bleiben? In Cap-Français herumlungern? Dich immer wieder in Versuchung führen? Bonnie zu neuen Dummheiten aufstacheln? Nein, Deirdre, das Beste ist, Jefe bleibt, wo er ist. Und du gehst mit deinem Gatten zurück nach Cap-Français und bist ihm von jetzt an eine brave Frau. Oder liebst

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