Die Insel der roten Mangroven
Caesar …«
»Caesar?«, fragte Victor alarmiert. »Der Caesar, den wir eine Zeit lang bei uns hatten? Der ist hier?«
Deirdre senkte den Kopf, auch Nora und Doug mochten ihrem Schwiegersohn nicht in die Augen sehen. Sie hatten sich nicht verschworen, Victor und natürlich auch Bonnie nichts von Jefes Wiederauftauchen auf Roche aux Brumes zu erzählen, letztlich hatten sie aber alle geschwiegen.
»Ihr hattet den Kerl mal bei euch?«, wunderte sich Gérôme. »Wie das? Ich dachte, Oublier hätte den direkt von seinem Piratenschiff weggekauft. Ein Fehler, den er jetzt mit dem Leben bezahlt hat. Solche Kerle lassen sich nicht zähmen. Den Gauner hätten sie besser gehenkt, genau wie seine weißen Spießgesellen …«
»Caesar hat Oublier getötet?«, fragte Deirdre entsetzt.
Nora hätte sich ohrfeigen können. Warum hatte sie es ihrer Tochter nicht gleich erzählt? Aber zwischen ihrer morgendlichen Visite bei den Schwarzen und dem förmlichen Mittagessen, bei dem sie gerade saßen, war einfach keine Zeit geblieben.
»Und ist mit seinem Pferd verschwunden!«, bestätigte Gérôme. »Weiß der Henker, wo er reiten gelernt hat.«
Nora sah, dass Victor seiner Frau einen vielsagenden Blick zuwarf und dass Deirdre errötete. Sie hoffte, dass Victor das nur auf die Reitstunden für ihren Pferdeknecht zurückführte, nicht auf andere Geheimnisse.
»Aber dann ist er … dann ist er ja jetzt frei«, murmelte Deirdre geistesabwesend.
»Und sitzt mit ziemlicher Sicherheit zu Füßen des ›Schwarzen Messias‹ Macandal!«, erregte sich Jacques Dufresne. »Einer mehr, der raubt und mordet!«
»Nun lasst aber mal dieses unerquickliche Thema!«, befahl Louise Dufresne.
Nora dankte ihr im Stillen. Bislang hatte wohl noch niemand bemerkt, wie sehr die Nachricht Deirdre aufgewühlt hatte. Die junge Frau wurde abwechselnd rot und blass und stocherte nur noch in ihrem Essen herum.
»Es ist gar nicht gut für dich, Jacques, wenn du dich immer so erregst«, sprach Louise weiter. »Und du, Gérôme, solltest Yvette nicht beunruhigen. Sie hat mit dem Kind und der Taufe schon genug zu tun. Hat der Gouverneur nun zugesagt?«
Nora beobachtete ihre Tochter, während die Dufresnes die Gästeliste für das Fest am nächsten Tag diskutierten. Deirdre hatte sich recht schnell wieder im Griff. Sie schien erleichtert zu sein, und in gewisser Weise teilte Nora diese Empfindung. Auch sie gönnte Jefe die Freiheit, wenngleich sie sich größte Sorgen darüber machte, was er damit anstellte.
Victor sorgte sich, wie er Deirdre und den Fortnams später bei einem Ausritt erzählte, am ehesten um Bonnie. Er schien das mit Amali gemeinsam zu haben, auch sie hatte den anderen Dienern im Hause Dufresne nichts von Jefe erzählt.
»Wir werden es ihr sagen müssen«, überlegte er. »Auch auf die Gefahr hin, dass sie ihm wieder nachläuft.«
»Er macht sich nichts aus ihr!«, bemerkte Deirdre mit einem alten Anflug von Eifersucht.
Victor seufzte. »Nein. Aber sie hat ihn immer geliebt. Ich fürchte, wenn sie von Caesar erfährt, werden Leons Bemühungen um sie im Sande verlaufen.«
Obwohl niemand verstand, warum Leon die unscheinbare Bonnie der bildschönen Amali und sämtlichen anderen jungen Schwarzen in Cap-Français vorzog – es war nicht zu leugnen, dass er in seiner sanften, beharrlichen Weise um sie warb. Bonnie betrachtete seine Komplimente und kleinen Geschenke zunächst mit größter Skepsis, weshalb alle vermuteten, dass sie sich noch zu sehr in der Rolle des Knaben Bobbie sah. Leon blieb jedoch hartnäckig. Er hatte den großen Vorteil, dass Namelok ihn ebenso vergötterte wie er das Kind. Vielleicht erinnerte die Kleine ihn ja wirklich an seine Liebe zu der Sklavin Sankau, wie Amali annahm, oder er war einfach mit vielen Geschwistern aufgewachsen und mochte Babys. Er ging sehr geschickt mit Kindern um und brachte Namelok stets schnell zur Ruhe, wenn sie schrie.
Tatsächlich begann Bonnie bald, ihn um Hilfe zu bitten, wenn sie Probleme mit dem Kind hatte. Sie hatte sich nie zuvor um Kinder gekümmert und wusste nicht, wie sie Namelok halten sollte, wie viel die Kleine schlafen musste und wie man sie fütterte. Natürlich waren auch Amali und die Köchin stets bereit, ihr das abzunehmen – aber ihnen gegenüber empfand sie offensichtlich eine Art Eifersucht. Namelok sollte ihr Baby sein, nicht Sabinas oder Amalis! Mit Leon konnte sie ihre Zuneigung eher teilen. Schließlich war es normal, dass ein Kind eine Mutter hatte und einen
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