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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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sie schon von Weitem neben ihm ausgemacht hatte. Verblüfft erkannte Bonnie eine vielleicht kalbsgroße Kanone.
    »Was ist das denn für ein niedliches Baby?«, lachte sie. »Sieht aus wie das Kind meiner alten Schiffskanone.« Neugierig fuhr sie über den Lauf des kleinen Geschützes.
    »Das ist ein Falkonett«, erklärte Jefe, sichtlich erfreut über ihr Interesse. »Ein Dreipfünder, eine Infanteriewaffe. Man kann sie sehr leicht bewegen, sie wiegt nicht mehr als zwei Männer.«
    »Bringt aber auch nicht viel mehr Kerle um«, bemerkte Bonnie sachlich, sie klang wieder ganz wie Bobbie, der Schiffskanonier. »Es sei denn, man lädt sie mit Kartuschen, dann hat man natürlich eine gewisse Streuwirkung. Mag in einer Feldschlacht ganz nützlich sein. Aber sonst … Im Ernst, Jefe, das ist doch kaum mehr als ein Spielzeug. Was willst du denn damit anstellen?«
    »Es donnern lassen …«, antwortete Jefe, und seine Augen blitzten auf, »… wenn Gott im Himmel es denn schon versäumt hat, bei Macandals Verhaftung Blitze zu schleudern. Auf den sollten wir uns also auch bei der Hinrichtung nicht verlassen. Wenn Macandal ausbricht«, erläuterte er nun seine Idee näher, »wird es Verwirrung geben auf dem Platz. Stell dir nur vor, ein Mann, der vom Scheiterhaufen springt. Der Geist, der wieder erwacht! Da wird kaum jemand einen kühlen Kopf bewahren. Und wir werden natürlich unser Bestes tun: Feuer entzünden, kämpfen, wenn es sein muss, schießen, wenn die Gendarmen versuchen, ihn aufzuhalten …«
    »Ihr wollt auf dem Platz vor dem Gouverneurspalast Musketen abfeuern? Oder gar dieses … Falkonett?«, fragte Bonnie entsetzt. Sie untersuchte die Lademöglichkeit der kleinen Waffe und wirkte ganz angetan von der kleinen Kanone. »Der Platz wird voller Sklaven sein! Einschließlich Frauen und Kindern. Ihr könntet ein Blutbad anrichten mit eurem ›Donner‹.«
    Jefe nickte. »Wir werden versuchen, es möglichst ohne Schusswechsel vonstatten gehen zu lassen. Die Leute werden durcheinanderrennen, flüchten …«
    »Wovor flüchten?«, fragte Bonnie.
    »Na, vor dem Donner!«, rief Jefe, als sei sie schwer von Begriff. »Bonnie, zu Beginn werden wir es infernalisch knallen lassen, eine Kugel wird in die Treppe zum Gouverneurspalast einschlagen …«
    »Darauf könnten Leute sitzen«, gab Bonnie zu bedenken.
    »Dann eben in den Gouverneurspalast selbst. Das siehst du ja dann, Bonnie. Du musst entscheiden, wo du hinschießt …«
    »Ich?« Bonnies Augen wurden riesig. »Ihr wollt, dass ich dieses Baby abfeuere?«
    Jefe nickte wieder. »Wer sonst, wenn nicht du?«, fragte er. »Du hast die größte Erfahrung. Du bist der beste Kanonier, den selbst Leute wie Seegall und Sanchez je gesehen haben. Wenn irgendjemand mit dem Ding exakt zielen kann, dann du.«
    Bonnie holte tief Luft. Sie wollte direkt Nein sagen, aber dann beschloss sie, Jefe wenigstens anzuhören.
    »Also noch mal, Jefe, und ganz langsam. Ihr plant, diese Kanone irgendwo auf dem Hinrichtungsplatz aufzustellen …«
    »Am Rand des Platzes«, erläuterte Jefe. »Auf einem Wagen. Unter Decken versteckt und drum herum ein Dutzend unserer Leute. Und du. Also, Bonnie, das wird ganz natürlich aussehen, als wären wir auf den Wagen geklettert, um besser sehen zu können. Wenn die Kanone erhöht steht, hast du ein besseres Schussfeld. Sobald der Scheiterhaufen auflodert, feuerst du das Baby ab. Alles wird sich erschrecken, wenn es knallt. Dann schlägt die Kugel ein in den Palast. Ist eine gute Idee übrigens, sie in die Fassade donnern zu lassen. Der Stein wird splittern, Trümmer fliegen herum, die Menschen schreien, rennen weg – und in dem Moment entkommt Macandal. Er rennt in Richtung Hafen, unsere Männer fangen ihn auf, ersticken die Flammen und verschwinden mit ihm in der Menge.«
    »Und die Kanone?«, fragte Bonnie.
    »Verschwindet mit dem Wagen«, meinte Jefe. »Aber damit hast du dann ja gar nichts mehr zu tun, Bonnie. Du kannst dich gleich nach dem Schuss absetzen. Wenn du nicht bei uns bleiben willst. Ich finde immer noch, du solltest dich uns anschließen. Mit Simas Kind. Sie hat Recht, es sollte in Freiheit aufwachsen.«
    Bonnie wollte ihm erneut von Nameloks Freibrief berichten. Doch warum sollte er ihr jetzt zuhören, wenn er es schon zwei Mal nicht getan hatte? Resigniert schwieg sie, untersuchte noch einmal die Kanone, richtete den Lauf probeweise aus. Es war einfach. Sie fixierte eine der Mangroven im Mondlicht. Zu schade, dass sie das Ding

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