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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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nicht ausprobieren konnte.
    »Wenn ich einen Fehler mache, töte ich unsere Leute«, sagte sie leise.
    Jefe schüttelte den Kopf. »Du machst keinen Fehler!«, erklärte er. »Das habe ich auch den anderen gesagt. Wenn man sich auf irgendwas verlassen kann, dann auf die Zielsicherheit von Bobbie. Und selbst wenn … selbst wenn wir Opfer bringen müssten … An Macandal hängt die Zukunft dieses Landes. Wenn er nicht überlebt, wenn am Tag danach Tausende Schwarze bezeugen können, dass er schreiend in den Flammen starb, dann ist das auch das Ende der Revolution. Wir werden niemals frei sein, Bonnie!«
    Bonnie schwieg, sie dachte an Namelok. Es war leicht, von Opfern zu sprechen, wenn man nichts zu verlieren hatte …
    Jefe seufzte. »Wenn du es nicht machst«, sagte er dann, »wird es wahrscheinlich an mir hängen bleiben.«
    »An dir?«, unterbrach ihn Bonnie. »Aber du warst nie ein guter Schütze!«
    Das stimmte. Jefe war ein erstklassiger Degenfechter und todesmutiger Nahkämpfer. Er konnte Feuerwaffen auch sehr schnell laden und abfeuern, treffsicher war er allerdings nie gewesen.
    Jetzt zuckte er die Schultern. »Bonnie … du oder ich oder jemand anders. Doch irgendwer wird dieses Falkonett am 20. Januar abfeuern. Er wird den Gouverneurspalast treffen oder die Treppe oder einen Trupp Gendarmerie oder eine Gruppe von Sklaven. Wir hätten es gern unblutig, aber wenn es sein muss … Macandal wird von diesem Scheiterhaufen fliehen, so wahr ich Caesar heiße!«
    Bonnie verzog das Gesicht zu einem Grinsen.
    »So heißt du doch gar nicht«, murmelte sie. »Aber gut, du hast mich überzeugt. Bobbie wird am Tag der Hinrichtung auf eurem Wagen sein.«

KAPITEL 9
    B onnie hatte in dieser Nacht Glück, was ihre Tarnung anging. Als sie sich zurück in ihr Quartier geschlichen hatte und eben die Tür hinter sich schließen wollte, sah sie Leon über den Zugangsweg torkeln. Offensichtlich war er nach seiner kleinen Freiheitsfeier noch ausgegangen, um mit Freunden in einer der Hafenspelunken anzustoßen. Sein erster Ausgang als freier Mann, das erste Mal, dass er niemanden hatte fragen müssen, bevor er das Sklavenquartier verließ. Bonnie lächelte. Wahrscheinlich hatte er jedem Gendarmen seinen Freibrief unter die Nase gehalten. Und Bonnie, Sabina und Amali hatten nichts davon gemerkt, da sie alle mit der Abendgesellschaft der Dufresnes beschäftigt gewesen waren.
    Am kommenden Morgen jedenfalls würde sie Amali bedauernd berichten können, dass sie Leon am Abend nicht angetroffen habe. Amali habe schon geschlafen, als sie Namelok hatte zurückholen wollen.
    Bonnie kuschelte sich in ihre Decke. Sie zitterte jetzt schon, wenn sie an die gefährliche Aktion dachte, zu der Jefe sie da schon wieder überredet hatte. Aber die Geister schienen ja zumindest bis jetzt auf ihrer Seite.
    Am 20. Januar begann das Militär schon früh, das Publikum auf dem Hinrichtungsplatz vor dem Regierungsgebäude zusammenzutreiben. Einige Schwarze hatten sogar schon dort genächtigt – wohlbewacht von ihren Aufsehern, die sie aus den entferntestenTeilen der Kolonie hergeleitet hatten. Die Menschen wirkten still und deprimiert, Fluchtpläne schmiedete sicher kaum einer. Macandals Verhaftung hatte ihnen den Mut geraubt. Außerdem hatten die Leute natürlich zu Fuß gehen müssen und waren völlig erschöpft. Feldsklaven waren vergleichbare körperliche Anstrengungen gewöhnt, aber an diesem Tag hatte man auch viele Haussklaven mitgebracht. Die waren schließlich in erster Linie für die Giftmorde verantwortlich gewesen.
    Weitere Sklavengruppen von näher gelegenen Plantagen trafen im Laufe des Tages ein. Die Hinrichtung war für den späten Nachmittag angesetzt – sehr gut für die Pläne der Rebellen. Wenn sie sehr viel Glück hatten, mochte es wirklich donnern und blitzen. Ein Gewitter war nicht unwahrscheinlich, da der Himmel verhangen war und die Sonne nicht richtig durchbrach. Das Licht war gelblich und ob der angespannten Atmosphäre wirkte es fast etwas gespenstisch.
    Im Hause Dufresne war die Stimmung gedrückt. Es hatte Ärger mit der Obrigkeit gegeben, als Victor sich mit Hinweis auf die Freiheit seiner Dienerschaft weigerte, seine Schwarzen auf den Platz vor dem Gouverneurspalast zu zwingen. Schließlich hatte Victor selbst dem nachhaltigen Druck seiner Familie und der Gesellschaft nachgegeben und sich bereit erklärt, an der Seite des Gouverneurs, seines Vaters und seines Bruders an der Hinrichtung teilzunehmen. Die Dufresnes

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