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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Augen. »Ja«, sagte er leise. »Es … es geht ihm sehr schlecht. Er ist schlimm verbrannt, überall … überall am Körper. Er hat schreckliche Schmerzen. Wenn Sie ihm nicht helfen …«
    Victor seufzte. »Du weißt, dass ich mich damit strafbar mache? Und dass das Risiko sehr viel höher ist als damals, als ich Bonnie aufnahm? Warum sollte ich das für euch tun? Für einen Mörder und Aufrührer? Wo habt ihr ihn überhaupt?«
    Jefe zuckte die Schultern. »Ich dachte … Sie … Ich dachte, dass Sie es vielleicht machen, ohne zu fragen. Die anderen meinten, es sei eine dumme Idee. Sie würden mich womöglich verraten. Aber nach dem, was ich über Sie weiß … was Sie für Bonnie getan haben … und Deirdre … Wir haben niemals über Sie gelacht, niemals …«
    Victor machte eine abwehrende Handbewegung. »Das ist jetzt gleichgültig. Und eigentlich ist es doch auch gleichgültig, ob ich frage oder nicht. Du könntest mich entführen und mich hinterher töten. Ihr schreckt doch vor nichts zurück für euren Führer. Oder sehe ich das falsch?«
    Jefe verzog den Mund. Und Deirdre hatte plötzlich wieder das Bild des kleinen Jefe vor Augen, nachdem er etwas angestellt hatte und davor stand, es Nora zu beichten.
    »Ich … will Sie nicht entführen. Es ginge auch gar nicht. Sie könnten mich ganz leicht verraten, die Stadt ist voller Gendarmen …«
    »Die Stadt?«, fragte Victor. »Ihr habt ihn in Cap-Français?«
    Jefe nickte. »Im Hafen. In … in der Harpune …«
    Deirdre sog scharf die Luft ein. Die Harpunewar die Hafenschenke, in der Lennie arbeitete. Dass dies ein Rebellenstützpunkt war, hätte sie nie geglaubt.
    Victor rieb sich die Stirn. »Gut«, sagte er. »Ich hole dann mal meine Sachen. Falls ihr euch noch etwas zu sagen habt …«
    »Ich hab ihm nichts mehr zu sagen!«, versicherte Deirdre.»Ich komme mit dir, ich …« Sie folgte ihm in sein Sprechzimmer, wo er rasch Binden und Medikamente zusammenraffte, ohne sie weiter zu beachten. »Es ist wirklich vorbei, Victor, ich … ich muss dir erzählen …«
    Sie hielt inne. Sollte sie ihm wirklich von ihrer Verwandtschaft zu Jefe berichten? Oder würde er daraus nur schließen, dass sie ihre Beziehung sonst nie beendet hätten?
    »Deirdre, es interessiert mich nicht«, sagte Victor hart. »Zumindest jetzt nicht, ich habe einen Patienten, der mich braucht. An den muss ich denken. Wenn ich an dich denke und an diesen Kerl da draußen, dann … dann … breche ich ihm womöglich die Knochen …« Es klang eher so, als bräche dann sein eigenes Herz. »Wir reden später darüber – sofern es ein Später gibt. Die Maroons könnten mich töten, wenn ich fertig bin. Das Letzte, was sie brauchen können, ist jemand, der ihre Schlupfwinkel kennt. Und auf Dankbarkeit kann ich auch nur hoffen, falls Macandal es überlebt.« Damit verließ er die Arzträume.
    Deirdre kämpfte den Drang nieder, noch einmal mit hinauszugehen und die beiden Männer zu verabschieden. »Viel Glück, Victor …«, sagte sie leise.
    Die Straßen von Cap-Français waren tatsächlich voller Gendarmen – und trotz der späten Stunde auch noch voller Leute. Immer noch wurde diskutiert, getrunken und gefeiert, immer noch führten Gendarmen und Aufseher geflohene Sklaven ab, die ihnen ins Netz gegangen waren, nachdem sie sich im Rausch der Freiheit gleich dem Rausch des Alkohols ergeben hatten.
    Victor und Jefe hielt allerdings niemand auf. Ein Arzt und sein Sklave, die zielstrebig durch die Stadt eilten – in dieser Nacht schien das niemand befremdlich zu finden. Und schließlich bog Jefe auch in Gassen ab, die so eng und schmutzig waren, dass sich dorthin niemand verirrte, der nicht genau wusste, wohin sie führten. Victor stolperte über Unrat, leere Flaschen, Tierkadaver. Über allem lag der Gestank von Fäulnis und Verwesung. Durch einen Hof erreichten sie schließlich den Hinterausgang der Harpune. Ein Mann ließ sie ein. Victor erkannte Lennie.
    »So sieht man sich wieder.« Lennie lächelte, schien sich jedoch unbehaglich zu fühlen. Victor beachtete ihn nicht.
    »Wo ist er?«, fragte er. Er hatte erwartet, Schreie zu hören. Wie Jefe gesagt hatte, litt Macandal an furchtbaren Schmerzen, der Geist schien sie jedoch schweigend zu ertragen.
    »Caesar, ist der Arzt da?« Eine kleine, sehr hübsche, etwas üppige Frau mit sorgenvollem Gesichtsausdruck trat durch eine mit einem schmuddligen Vorhang verhängte Türöffnung. »Er ist sehr tapfer, aber es geht ihm sehr

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