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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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schwere Arbeit. Sämtliche Sklaven trugen eine Art Uniform, und die Diener, die aus dem Haus eilten, als Victor seinen Wagen vor den Stufen zum Eingang anhielt, waren in Livreen gewandet, ähnlich der von Gérômes Kutscher. Deirdre hatte das Gefühl, von einer ganzenArmee Bediensteter in Empfang genommen zu werden, die sie begrüßten, ihr vom Wagen halfen, ihr Gepäck ausluden …
    »Sie nicht Leibdiener? Und Zofe, Madame?«, fragte ein imponierender schwarzer Majordomus, der zu seiner Livree eine irritierend weiße, wallende Perücke trug, fast etwas indigniert.
    Victor schüttelte den Kopf. »Ich kann mich selbst anziehen, Jean. Und meine Gattin …«
    Deirdre hätte Amali eigentlich gern mitgebracht, aber Victors Wagen war schlichtweg zu klein, um mehr als zwei Personen bequem sitzen zu lassen. Amali hätte sich in den Gepäckraum ducken müssen, der mit der Truhe für die Kleidung und Victors Arzttasche eigentlich schon voll war. Oder sie hätte gar stehen und sich am Verdeck festhalten müssen. Victor fand, man könne ihr das nicht zumuten – zumal auf Nouveau Brissac auch reichlich Personal zur Verfügung stünde.
    »Ich denke, dass mir Madame Dufresne eine Zofe zur Verfügung stellt«, sagte Deirdre jetzt und lächelte dem geschniegelten Majordomus zu. Der Mann hatte eben einen Bückling vor ihr vollführt, der Kwadwos lang geübte Verbeugung weit in den Schatten stellte.
    »Sicher, Madame. Ich mache, ich schicke Mädchen«, erklärte er. Anscheinend oblag ihm die Aufsicht über die Dienerschaft. »Philippe Sie führen in Ihre Räume, Madame, Sie sich machen frisch vor Abendessen …« Er winkte einen kleinen Jungen heran, der in der Uniform eines Pagen ausgesprochen niedlich aussah, aber wie verkleidet wirkte. Er schien seine Aufgabe äußerst ernst zu nehmen und griff gleich nach einer der Reisetaschen, um sie hinaufzuschleppen. Deirdre nahm sie ihm lächelnd ab und stellte sie beiseite. »Die bringen die Großen nachher rauf«, erklärte sie und warf dem Majordomus einen entsprechend auffordernden Blick zu.
    Der Kleine nickte, fast etwas enttäuscht. »Gut, wir dann jetzt gehen?«, fragte er beflissen. »Ich zeigen Zimmer?«
    Deirdre wunderte sich ein wenig, als Victor keine Einwände erhob, sondern dem Jungen folgte. Er legte ihr den Arm um die Hüfte, als sie jetzt die pompösen Empfangsräume betraten.
    »Wollen wir deine Eltern nicht erst begrüßen?«, erkundigte Deirdre sich, während sie sich staunend umblickte. Sie kannte den französischen Einrichtungsstil aus Jamaika, viele Häuser der reichen Pflanzer zierten verspielte Möbel aus Europa. Etwas so Prachtvolles wie diese Eingangshalle hatte die junge Frau jedoch noch nie gesehen. Überall vergoldeter Stuck, glänzende silberne und goldene Leuchter, und an den Wänden hingen fast lebensgroße Porträts, vermutlich von Familienmitgliedern. Deirdre fühlte sich beinahe eingeschüchtert.
    »Wir sehen meine Eltern gleich beim Essen«, antwortete Victor. »Glaub mir, das ist besser so. Unseren augenblicklichen Aufzug würden sie wahrscheinlich nur als Affront betrachten. Und dazu der Staub von der Reise …« Er lächelte. »Meine Mutter würde das Wort zwar nicht aussprechen, aber es ist nicht zu leugnen, dass wir beide transpiriert haben.«
    Deirdre runzelte die Stirn. Natürlich waren ihre Achselhöhlen etwas feucht vom Schweiß, sie waren immerhin mehr als drei Stunden bei tropischen Temperaturen unterwegs gewesen. Doch ihr leichtes, mit Blumenranken besticktes Nachmittagskleid war durchaus noch vorzeigbar, und Victor war nicht so wild gefahren, dass sich mehr als ein paar wenige Locken aus ihrer Frisur gelöst hatten. Doug und Nora Fortnam hätten sich davon zumindest nicht abschrecken lassen, wenn es galt, ein neues Familienmitglied kennenzulernen! Aber gut, sie wusste ja bereits von Gérôme, dass die Dufresnes auf Förmlichkeiten Wert legten.
    Nachdem sie die breiten, geschwungenen und mit Teppichen ausgelegten Treppen hinaufgeschritten waren, vorbei an Wandgobelins, zierlichen Beistelltischchen und Anrichten mit frischen Blumenarrangements, wunderte sich Deirdre nicht mehrüber ihre Unterkunft auf Nouveau Brissac. Die Dufresnes hatten Victor und Deirdre mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt, als deren ganzes Haus in Cap-Français bot. Deirdre verstand langsam, wie unterschiedlich die Vorstellungen von einer angemessenen Gästeunterbringung bei Victor und seinem Vater aussahen. Zudem erwarteten sie schon fünf schwarze Bedienstete. Zwei

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