Die Insel der roten Mangroven
Diener kümmerten sich um Victor, drei Mädchen nahmen Deirdre in Empfang, wobei sie nicht mit Schmeicheleien über die Schönheit der neuen Madame sparten. Deirdres aktuellen Aufzug empfanden jedoch auch sie als nicht gesellschaftsfähig.
»So prächtige Haar, aber nicht schön frisiert«, erklärte die Erste, und die Zweite schüttelte den Kopf, als sie Deirdres Truhen öffnete. »Nur ein Korsett? Für ganze Wochenende? Nur zwei Kleider? Und wie zerknittert … Belle, du schnell plätten …«
Das dritte Mädchen baute binnen kürzester Zeit einen Tisch auf, während die beiden ersten Deirdre entkleideten, sie mit in Rosenwasser getränkten Tüchern wuschen und dann ausgiebig parfümierten. Sie bedienten sich dafür eigener Düfte, das leichte Parfüm, das Deirdre bevorzugte und auch mitgebracht hatte, entsprach ihren Ansprüchen nicht. Deirdre stellte unwillig fest, dass die Mädchen sie in kürzester Zeit in eine völlig andere Frau verwandelten. Natürlich hatte sie auch vorher schon mit Schminke und Puder experimentiert, dies ging dagegen weit über die Zugeständnisse hinaus, die man im Hause Fortnam in Sachen Mode machte. Am Ende versahen die Mädchen sie sogar noch mit Schönheitspflästerchen! Erst als eins von ihnen Anstalten machte, die kunstvolle Frisur, zu der es Deirdres Haar aufgetürmt hatte, mit weißem Puder zu bestäuben, legte sie ernstlich Widerspruch ein.
»Das geht nicht, Mädchen, mein Haar ist zu schwarz!«, sagte sie energisch. »Es wird davon nur grau und sieht schmutzig aus. So leid es mir tut, aber Madame und Monsieur Dufresne werden sich mit meiner natürlichen Haarfarbe anfreunden müssen. Wobei ich mich schon frage, warum ich extra herkommen musste! Ich sehe aus wie eine der Puppen, die man auf jedem Ball zwanzigmal sieht …«
Die Mädchen waren erschrocken, Victor lachte jedoch nur. Er gab seiner Frau Recht. Die herrschende Mode verwandelte alle Frauen in weißhaarige, weißgesichtige Kunstfiguren, deren Körperformen man durch das Korsett ebenfalls anzugleichen versuchte. Lediglich die Gesichtszüge unterschieden sich noch – oft wurde der Puder jedoch so dick aufgetragen, dass auch die Mimik künstlich wirkte.
»Brauchen Sie Perücke, Madame!«, fand eins der Mädchen schließlich einen Ausweg. »Soll ich gehen suchen? Leihen bei Madame Dufresne?«
Deirdre wehrte entsetzt ab – auf keinen Fall würde sie ihrer Schwiegermutter unter einer ihrer eigenen Perücken vor Augen treten! Die Zofen lamentierten noch ein wenig, aber sie gab nicht nach.
Dafür fügte sich Victor den Dienern und ließ sich eine Perücke aufsetzen – die immerhin seine eigene war. Es gab Anlässe, da die Männer sich dem Zwang zu posieren einfach nicht entziehen konnten. Selbst Doug Fortnam bewahrte ein weißes Monstrum in der hintersten Ecke seines Schrankes auf. Aber für ein Familiendinner …
»Es werden sicher noch andere Gäste da sein«, meinte Victor, als Deirdre ihm das zu bedenken gab. »Meine Eltern führen ein sehr gastliches Haus, und bestimmt wollen sie dich zumindest ihren unmittelbaren Nachbarn direkt vorstellen …«
Deirdre fühlte sich inzwischen ziemlich beklommen – zum ersten Mal dankte sie ihrer Mutter im Stillen dafür, dass diese auf weiterführendem Benimmunterricht bei Miss Hollander bestanden hatte. Jetzt jedenfalls gelang es ihr ohne Zwischenfälle, auf den hohen Schuhen geziert in den ballsaalgroßen Raum zutänzeln, in dem die Dufresnes empfingen, und auch die Begrüßung brachte sie ohne Fauxpas hinter sich. Tatsächlich war sogar alles einfacher, als sie befürchtet hatte. Madame und Monsieur Dufresne erwarteten ihren Sohn und seine Gattin am Eingang zum Speisezimmer, als wollten sie beliebige Gäste begrüßen. Deirdre fühlte sich mehr wie bei einer Einladung im Gouverneurspalast denn beim Kennenlernen der eigenen Schwiegereltern.
Jacques Dufresne war ein großer, imponierender Mann, was durch seine beeindruckende weiße Perücke noch unterstrichen wurde. Sein Gesicht war scharf geschnitten und schon etwas faltig, was man trotz der Schminke sah, die Augen waren braun wie die seines Sohnes, jedoch stechend und forschend, nicht gütig oder belustigt wie Victors. Überhaupt schien Victor eher nach seiner Mutter zu kommen, deren Züge weicher wirkten, die blauen Augen erschienen allerdings ebenfalls kühl und streng. Unter der Perücke mochte Louise Dufresne blond sein. Beide Dufresnes waren prunkvoll nach der neuesten französischen Mode gekleidet – nach
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