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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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der Mannschaft gewählt werden konnte. Das für ihn infrage kommende Amt war schließlich am ehesten das des Quartiermeisters, doch Sanchez war als solcher erfahren und beliebt. Ganz sicher würden die Männer ihn niemals absetzen.
    Sanchez neigte dennoch nicht zu Allüren. Er zog Jefe gern bei den Dingen hinzu, die ihm schwerfielen, und entlohnte ihn dann auch entsprechend. So fand sich der junge Pirat unversehens als eine Art Schiffsschreiber und Buchhalter wieder, eine Arbeit, die ihm nicht schmeckte, obwohl sie ihm zu Ansehen verhalf. Niemand auf der Mermaid , nicht einmal Captain Seegall selbst, beherrschte das Schreiben und Lesen so gut wie Jefe – anfänglich hatten die Männer ihn sogar als Schulmeister bezeichnet und damit geneckt, zumal er Bonnie in der ersten Zeit noch unterrichtet hatte. Nachdem sich die Ersten dafür blutige Nasen geholt hatten, hielten sie sich zurück, den Unterricht für Bonnie stellte Jefe trotzdem ein.
    Bonnie empfand das als schmerzlich, sie hatte nicht nur denWissenszuwachs geschätzt, sondern auch die Zweisamkeit mit Jefe genossen. Dem jungen Mann schien seine Gelehrsamkeit allerdings peinlich zu sein. Jefe war wild entschlossen, sich den Piraten in jeder Beziehung anzupassen und ein möglichst genaues Ebenbild des großen Black Caesar zu werden.
    »Was ist daran falsch?«, fragte er bockig, als Bonnie ihn einmal darauf ansprach.
    Bonnie biss sich auf die Lippen. »Black Caesar wurde gehenkt«, sagte sie, doch sie konnte ihn nicht dabei ansehen.
    »Dann geh ich jetzt mal«, meinte Bonnie, als die ersten Häuser von Le Marin in Sicht kamen.
    Die Mermaid hatte eine versteckte Bucht auf Martinique angelaufen, und die Männer begaben sich zu Fuß in die Hauptstadt, um dort ihren Vergnügungen oder Beschäftigungen nachzugehen. Der Kapitän und eine Hälfte der Mannschaft waren am Tag zuvor unterwegs gewesen, an diesem waren der Quartiermeister und die andere Hälfte der Leute an der Reihe. Jefe hatte gemurrt, weil er durch das Losglück in die zweite Gruppe verdammt worden war, aber Bonnie ging gern als Letzte von Bord. Umso frischer waren dann schließlich die Ergebnisse der Erkundigungen, die sie als Möchtegernschiffsjunge einholte. Bevor sie die Stadt erreichten, trennte sie sich von den anderen, schließlich sollte sie niemand mit dem bunten Völkchen von Seefahrern sehen, das in dieser Nacht die Bordelle und Spelunken der Stadt unsicher machen würde.
    Bonnie fragte sich manchmal, was die Schenken- und Hurenwirte der Häfen wohl über Captain Seegalls Crew dachten. Eigentlich mussten sie die Männer als Freibeuter erkennen. Aber die Mauer des Schweigens schien außerordentlich dicht zu sein. Bonnie wusste von keinem Piratenschiff, das je von einem Vertreter der Halbweltzünfte verraten worden war.
    Das junge Mädchen streifte zunächst durch den Hafen undmerkte sich die Segler, die hier vor Anker lagen. Ein großer französischer Dreimaster, voll beladen, erregte dabei ihre Aufmerksamkeit.
    »Saint-Domingue«, gab ein müßig darauf herumlungernder Matrose Auskunft, als Bonnie nach dem Bestimmungsort des bulligen Handelsschiffes fragte. Zum Glück verstand er Englisch, mit Bonnies Französisch war kein Staat zu machen.
    »Und dahin bringt ihr Rohrzucker?«, fragte Bonnie verwundert. »Machen die da nicht selbst welchen?« Zucker war eigentlich das Einzige, was man auf Martinique laden konnte. Es machte jedoch keinen Sinn, ihn in ein anderes Zuckerrohranbaugebiet als Hispaniola zu schaffen.
    Der Matrose grinste. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er. »Ach so, weil wir Tiefgang haben … Scharfes Auge, Kleiner! Nee, wir kommen schon voll beladen aus Frankreich. Lauter edles Zeug an Bord für die Pflanzer in den Kolonien. Einen Teil haben wir hier ausgeladen, aber das meiste geht an die reichen Fräcke auf Saint-Domingue. Teppiche, Möbel … Die bauen da wohl alle Schlösser wie Versailles …«
    Bonnie hatte Mühe, ihre Aufregung zu verbergen. Ein Schiff voller Luxusgüter? Das klang nach einer Prise, wie sie der Mermaid nur alle paar Monate ins Netz ging. Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wann das Schiff absegelte. Doch zuerst würde sie sich ein gutes Essen in einem der Fischrestaurants im Hafen gönnen. Sie schlenderte auf eines der vielversprechendsten Häuser zu und stellte sich vor, dass Jefe neben ihr ging. Es wäre schön, mit ihm an einem gedeckten Tisch Platz nehmen und sich nett unterhalten zu können. Bonnie wäre an seiner Seite gern wieder mal ein

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