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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Mermaid . Der Lärm der in sich zusammenfallenden Deckaufbauten und der berstenden Masten war ohrenbetäubend. Die Piraten hatten einen schweren Treffer hinnehmen müssen. Die Kämpfer unter dem Befehl des Quartiermeisters konnten sich darum aber vorerst nicht kümmern. Sie waren gerade zum Entern an Bord des Frachtschiffes gesprungen, und auf dem Deck der Bonne Marie war ein erbitterter Kampf im Gange. Es ging weitaus härter zu als sonst, die Verteidiger hatten schließlich Zeit gehabt, jeden einzelnen Matrosen zu bewaffnen. Die Männer wehrten sich wütend und entschlossen.
    Bis das Schiff völlig in der Gewalt der Piraten war, vergingen Stunden, und das Blut floss in Strömen. Auf beiden Seiten – auch Captain Seegalls Mannschaft musste ungewohnt hohe Verluste hinnehmen. Jefe hatte dafür allerdings keinen Blick. Er war sofort nach dem Entern ein Teil des Infernos aus Schreien und Gefechtfeuer, spritzendem Blut und austretendem Gedärm, Messern und Macheten geworden, stieß seine Waffe blindlings in den Körper eines jeden, der sich ihm entgegenstellte, und schlug um sich wie ein Berserker. Geschickt verstand er nun auch zu kontern, wenn sich ihm ein guter Fechter als Gegner bot. In diesen zwei Jahren hatte Jefe in jeder freien Minute geübt. Er trug längst stolz einen Degen und stand dem Captain und Sanchez in der Fechtkunst kaum noch nach. Auch bei diesem Angriff duellierte er sich mit zwei höher stehenden Besatzungsmitgliedern und schrie vor Stolz und Freude, als er beide schlug.
    Schließlich fiel dann auch der letzte Kämpfer der Bonne Marie , der nicht bereit war, sich zu ergeben. Jefe und die anderen jubelten ihren Triumph hinaus. Die überlebenden Männer waren erschöpft, ihre Kleidung schweiß- und blutgetränkt, doch sie lachten und klopften sich auf die Schultern, ganz euphorisch nach der Schlacht.
    Dieses Mal wurden sie auf der Mermaid aber nicht mit Begeisterungsschreien erwartet. Über dem Piratensegler hingen Schwaden von Pulverdampf, nicht anders als bei der Bonne Marie . Auf dem Oberdeck herrschte das reinste Chaos. Der Feind hatte zwar die Pulverkammer nicht getroffen, aber in der Nähe der Geschützstände waren zwei Kugeln eingeschlagen. Sie hatten die Planken aufgerissen, einen Teil der Takelage heruntergerissen und zwei der Geschützstände zerstört. Der Kanonier des ersten lag mit zerschlagenen Gliedern unter seiner Kanone. Von den Männern, die ihm beim Justieren der Waffe geholfen hatten, waren nur noch grausige Leichenteile übrig. Und daneben …
    »Bobbie!« Jefe schrie auf, als er das Loch sah, das sich da im Deck auftat, wo eigentlich Bonnies Kanone hätte stehen sollen. »O mein Gott, Bobbie!« Jefe musste an sich halten, seine Freundin nicht bei ihrem richtigen Namen zu rufen. Verzweifelt sah er in den schwarzen Schlund, die Kugel war wohl bis ins Zwischendeck durchgeschlagen. Jefe graute davor, hinunterzusteigen …
    »Hier!«, rief plötzlich eine schwache Stimme. »Hier bin ich …«
    Sanchez, der hinter Jefe zurück auf die Mermaid gekommen war, wandte sich nach der Stimme um. Und dann sahen sie ein schwarzes Bein unter einem Haufen zerborstenen Holzes und heruntergerissener Segel hervorlugen.
    »Wir kommen, Bobbie! Halt durch!«, rief Jefe.
    Er rannte auf den Trümmerhaufen zu und machte Anstalten, Bonnie am Bein herauszuziehen. Doch die schrie auf, als er daran ruckte.
    »Zumindest ist das Bein noch dran«, bemerkte Sanchez. »Aber so geht’s nicht, Caesar, wir müssen das Zeug über ihm wegräumen. Los, macht schnell!«
    Inzwischen waren auch andere Piraten zu Hilfe geeilt, und Bonnies Körper – und der Torso eines ihrer Helfer – kamen bald unter den Trümmern zum Vorschein. Jefe schuftete mit aller Kraft, um das Holz wegzuschaffen, von Bonnie hatten sie nach dem Schrei kein Wort mehr gehört. Nicht auszudenken, wenn sie starb, bevor er ihr würde helfen können …
    Doch dann kam ein erlösender Ruf von Sanchez, der als Erster zu dem Kanonier durchdrang. »Er lebt! Aber …«
    Bonnies Hemd war blutdurchtränkt.
    »Warte, ich zieh dir das mal aus, Junge …«
    Sanchez machte Anstalten, Bonnies Wams mit dem Messer zu zertrennen, doch der Junge, der bis eben noch völlig still gelegen hatte, begann sofort, sich verzweifelt zu wehren.
    »Nicht! Nicht, bitte … verflucht noch mal, lasst mich! Keiner … keiner rührt mich an … Ich … ich will nur Caesar! Caesar, du … du Hurenbock, komm her zu mir!« Bonnie stieß die Worte mit einer Wut und

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