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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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den Sklaven in Windeseile, auch von einer Plantage zur anderen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Briefe zu schreiben.
    Nora sah die Hintergründe der strengen Verbote ganz woanders: Wenn man den Sklaven zugestand, lesen und schreiben zu lernen, musste man zugeben, dass sie Verstand hatten. Sie würden die Bibel lesen wie alle anderen Christenmenschen und sich nicht mehr mit ein paar Stellen abspeisen lassen, die ihnen vorschrieben, sich in ihr Dasein als Diener zu ergeben. Sie würden die Taufe fordern und die Anerkennung als Menschen wie ihre Herren. Man konnte nicht mehr vorgeben, sie wären den Tieren kaum übergeordnet.
    »Sie sagen es nicht? Sie verraten es nicht? Der … der Backra schickt mich sonst auf die Felder wie …« Máanus Zittern ließ nicht nach.
    »Wie Akwasi?«, fragte Nora. »Nun beruhige dich doch, Máanu, ich sage es niemandem. Aber du musst mir jetzt alles erzählen. Woher könnt ihr das, du und Akwasi? Und was hat der junge Backra damit zu tun? Ich habe euch belauscht, Máanu, dich und ihn, als ihr euch gestritten habt …«
    Máanu schniefte. Sie brauchte einige Zeit, um wieder zu sich zu kommen, aber dann berichtete sie bereitwillig.
    »Backra Doug und Akwasi waren immer zusammen. Bei Mama Adwe und dann auch später, als Doug Hauslehrer hatte. Der Lehrer hat sich gar nicht drum gekümmert, der hielt Nigger alle für dumm, und Akwasi fand auch immer was zu tun, er fächelte ihm Luft zu oder holte Erfrischungen. Und dabei guckte er Doug natürlich über die Schulter. Ich später auch, als ich ein bisschen größer war, ich bewunderte die Jungen, ich rannte ihnen nach wie ein Hündchen. Dabei habe ich auch ein bisschen was mitgekriegt, aber natürlich nicht so viel wie Akwasi. Der war ja auch bei Doug, wenn er Hausaufgaben machte. Akwasi war gut im Rechnen, Doug mehr im Schreiben.«
    Nora konnte es sich denken. Die Hälfte der Hausaufgaben hatte der Sklavenjunge erledigt.
    »Die beiden hingen sehr aneinander, nicht wahr?«, fragte sie.
    Máanu nickte. »Sie waren Freunde, sie waren wie Brüder. Und dann, als Doug zehn wurde, hat der Backra ihm Akwasi geschenkt.«
    »Er hat was?«, fragte Nora entsetzt.
    »Geschenkt, Missis, Akwasi war Dougs Nigger«, bestätigte Máanu.
    »Aber … aber das ist ja entsetzlich!«
    Nora rieb sich die Schläfe. Es war undenkbar, ein Kind einem anderen zum Geburtstag zu schenken. Ein Junge, der seinen Freund besitzen sollte!
    »Die beiden fanden das gar nicht so schlimm«, berichtete allerdings Máanu. »Im Gegenteil, die waren ganz begeistert. Jetzt wären sie richtige Brüder, haben sie gesagt, und müssten sich nie trennen. Und was sie alles machen würden zusammen … Sie waren ganz glücklich.«
    »Aber dann haben sie sich gezankt«, mutmaßte Nora.
    Máanu schüttelte den Kopf. »Nein, sie haben sich nie gezankt. Aber sie wurden unvorsichtig. Jedenfalls fand der Backra raus, dass Akwasi schreiben und lesen konnte. Ich war nicht dabei zum Glück, ich war krank und Mama Adwe hielt mich in der Küche. Sonst hätte er mich womöglich auch gestraft. So weiß ich nicht genau, was geschehen ist, aber Doug fuhr dann sehr bald nach England. Und Akwasi … Zuerst haben sie ihn eingesperrt und geschlagen. Im Dunkeln, allein und ohne Wasser. Ich weiß noch, dass er die ganze Nacht schrie und weinte. Nach Doug vor allem, die beiden waren doch nie getrennt, die schliefen sogar in einem Zimmer. Er hat Doug angefleht, ihm zu helfen …«
    Noras presste die Lippen zusammen. »Aber Doug hat es nicht getan«, sagte sie dann.
    Máanu schüttelte den Kopf. »Er hat Akwasi im Stich gelassen«, sagte sie verächtlich. »Er hat ihn verraten.«

KAPITEL 4
    M áanus Enthüllungen beeinträchtigten Noras Verhältnis zu ihrem Stiefsohn, was sie selbst äußerst bedauerlich fand. Douglas war ihr am Weihnachtsabend sehr sympathisch erschienen, sie hatte sich zum ersten Mal auf einer solchen Feier wirklich gut unterhalten. Nun aber zog sie sich vor ihm zurück, wenn er sie zu gemeinsamen Ausritten einlud oder seltene Pflanzen für sie aufstöberte, deren Namen er zu ihrem Entzücken alle kannte. Dabei hatte sie am Anfang die Hoffnung gehegt, endlich einen Verbündeten zu finden. Dougs Haltung zu den schwarzen Sklaven war eindeutig anders als die seines Vaters, egal was damals zwischen ihm und Akwasi geschehen war. Der junge Mann geriet schon in der ersten Woche mehrmals mit Elias aneinander – zum ersten Mal, als der Pflanzer seine Sklaven gleich am Tag nach Weihnachten wieder auf

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