Die Insel Der Tausend Quellen
die Felder schickte.
»Ein einziger Tag? Du gibst ihnen einen einzigen Tag frei zur Feier des immerhin höchsten christlichen Festes? Kein Wunder, dass sie da so ungern zum Gottesdienst gehen und lieber an ihren Obeah-Praktiken festhalten! Und die Haussklaven hatten überhaupt keinen Urlaub!«
Elias erwies sich jedoch als unerbittlich. Die Setzlinge, so erklärte er, müssten unbedingt in den Boden – als hinge der Erhalt der Plantage davon ab, ob die Pflanzen, die zum Reifen ohnehin zwei Jahre brauchten, an diesem oder am kommenden Tag eingesetzt wurden.
Doug nahm das wutschnaubend, Nora resigniert hin. Sie hatte ohnehin nicht an den Erfolg dieser Intervention geglaubt, allerdings interessierte sie die Erwähnung des Wortes Obeah, das sie hier erstmalig aus dem Mund eines Weißen hörte. Überhaupt war es in ihrem Beisein nur während ihrer allerersten Zeit auf der Plantage gefallen, und wenn sie sich richtig erinnerte im Zusammenhang mit medizinischer Hilfe. Seit sie selbst die Versorgung der Kranken auf der Pflanzung übernommen hatte, schienen Máanu und die anderen Sklaven sorglich darauf zu achten, den Obeah-Mann nicht zu erwähnen. Nora wusste nicht warum, aber bisher hatte sich noch keine Gelegenheit geboten nachzufragen. Auch Douglas gegenüber sprach sie das Thema nicht an. Wie sie es überhaupt vermied, über Sklavenangelegenheiten mit ihm zu sprechen. Und da man kaum über irgendetwas auf Jamaika reden konnte, ohne die freien oder versklavten Schwarzen anzusprechen, blieben ihre Unterhaltungen zumindest am Anfang ziemlich oberflächlich.
Nun konnte Nora allerdings nicht umhin, ihn zu beobachten und sehr bald fast zu bedauern. Doug fiel es erkennbar schwer, auf der Plantage wieder Fuß zu fassen. Egal was er anfing, es gab einfach keine angemessene Beschäftigung für den jungen Herrn. Wobei Doug bereit gewesen wäre, jede beliebige Aufgabe anzufassen, hätte Elias ihm nur eine zugewiesen. Aber zurzeit gab es keinen Bedarf für Dougs Kenntnisse bezüglich Verhandlungen und Handelsrecht. Das Zuckerrohr war geschnitten, verkocht und verkauft, erst im nächsten Jahr würden neue Absprachen mit Kaufleuten und Schiffseignern anstehen. Und um auf der Plantage selbst wirklich nützlich zu sein, fehlte Doug die praktische Erfahrung. Nora staunte zwar immer wieder darüber, wie viele Fakten über Zuckerrohranbau und Verarbeitung der junge Mann trotz jahrelanger Abwesenheit behalten hatte. Aber praktisch fiel es ihm denn doch schwer, den genauen Zeitpunkt zum Schneiden eines Feldes zu bestimmen oder zu entscheiden, ob die Segel einer Windmühle jetzt erneuert werden mussten oder später.
Elias machte keine Anstalten, ihm zu helfen, sondern verhöhnte seinen Sohn offen für dessen allgemeine Unfähigkeit: »Zu faul zum Studieren und zu dumm zum Pflanzer! Wahrscheinlich werden wir dir doch noch einen Parlamentssitz kaufen müssen, damit du halbwegs nützlich wirst!«
Doug ließ diese Schmähungen allerdings erstaunlich gelassen an sich ablaufen. Brav folgte er seinem Vater auf dessen täglichen Inspektionsritten über die Pflanzung, am Anfang sicher in der Hoffnung, dabei etwas zu lernen. Tatsächlich kam es aber nur zu Streitigkeiten. Doug wusste nicht viel über Windverhältnisse, wann es zu stark oder zu schwach wehte, um die Windmühle richtig anzutreiben. Er hatte jedoch selbst schon Ochsengespanne um eine Ölmühle getrieben, und er wusste, dass es nicht die Schuld des schwarzen Gespannführers war, wenn die Tiere in der Mittagshitze unwillig waren und mitunter sogar durchgingen.
»Das sind die Fliegen, die machen die Biester verrückt«, erklärte er gelassen, während sich Elias’ Donnerwetter über zwei schwarzen Jungen entlud. Die beiden versuchten verzweifelt, die Reste der Geschirre zusammenzuflicken, nachdem die Ochsen sich losgerissen, den Zaun um ihren kreisrunden Arbeitsplatz überrannt und zum Stall geflüchtet waren.
»Man kann sie mit Kürbisblättern abreiben oder diese ans Zaumzeug binden, oder man rührt eine Tinktur an aus Eukalyptusöl, Essig und aufgekochten Teeblättern. Aber so richtig wirkt gar nichts, am besten lässt man die Ochsen zur Mittagszeit im Stall.«
Elias reagierte auf diesen Hinweis natürlich mit einem weiteren Wutanfall, der sich jetzt auch gegen seinen Sohn richtete. Eine mehrstündige Mittagspause war für Mensch und Tier nicht vorgesehen. Elias bestand darauf, dass die Sklaven die Ochsen wieder anschirrten und sie auch an diesem glutheißen und obendrein völlig
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