Die Insel Der Tausend Quellen
Sklaven wieder aufleben ließ. Als sich die Versammlung im Raucherzimmer endlich auflöste und auch Nora Fortnam die Damen verabschiedete, traf er Máanu im Korridor vor den Wohnräumen der Familie. Sie wollte sofort von ihm wegeilen, aber Doug hatte sie bereits erkannt. Er war nach dem Bankett rasch in die Küche geschlüpft, um Adwea zu begrüßen, und natürlich hatte die Köchin ihn nicht nur schluchzend umarmt wie einen wiedergefundenen Sohn, sondern ihm auch in Windeseile sämtliche Neuigkeiten der letzten vierzehn Jahre zu vermitteln versucht. Viel hatte Doug davon nicht behalten, nur dass ihre Tochter Máanu der neuen Herrin als Zofe diente. Adwea war stolz darauf, und Doug wunderte der Aufstieg des Mädchens nicht. Máanu war schon als Kind ein aufgewecktes Ding gewesen. Und nun war sie obendrein zu einer Schönheit herangewachsen.
Doug hielt sie auf. »Máanu! Lauf doch nicht weg! Lass mich dich wenigstens mal ansehen, wenn du schon nicht mit mir reden willst! Du … du weißt doch, wer ich bin?«
Máanu nickte, guckte aber grimmig. »Natürlich, Backra Doug, das pfeifen ja die Spatzen von den Dächern, dass Sie wieder hier sind. Und selbstverständlich rede ich mit Ihnen, wenn Sie es wünschen.« Sie knickste.
Doug rieb sich die Stirn. Die gleiche Haltung wie Akwasi. Aber immerhin sprach Máanu in ganzen Sätzen.
»Máanu, was habt ihr denn nur? Ich habe vorhin Akwasi getroffen. Und er … er benimmt sich …«
»Haben Sie Freudentänze erwartet?«, fragte Máanu hart. »Nach dem, was Sie getan haben?«
Doug hätte sie am liebsten geschüttelt. »Ich habe doch gar nichts getan, ich …«
»Eben!«, schnaubte Máanu. »Und wenn Sie jetzt was für Akwasi tun wollen, dann lassen Sie ihn in Ruhe! Er hat’s schwer genug.«
»Aber warum ist er geblieben?«, fragte Doug hilflos. »Ich hatte gedacht … Also, wir hatten immer gedacht, er … er geht zu den Maroons. Warum ist er nicht geflohen?«
Er dachte an Akwasis geschundenen Rücken. Der Junge, den er gekannt hatte, hätte sich das nicht bieten lassen.
Máanu blitzte ihn an. »Vielleicht, weil er nicht wollte, dass sie ihm auch noch den Fuß abhacken! Das ist nämlich die gängige Strafe bei Flucht, Backra Douglas! Wenn sie einen kriegen, und sie kriegen einen fast immer. Herrgott, man möchte meinen, du bist noch das dumme Kind, das sie damals weggeschickt haben!«
Máanu drehte sich auf dem Absatz um und lief nun wirklich davon – beinahe Nora in die Arme, die auf einem Treppenabsatz gestanden und gehorcht hatte. Es ging gerade noch gut. Nora versteckte sich hinter einer Säule, und Máanu schaute weder nach links noch rechts, als sie die Treppe hinunterhastete. Sie musste Wasser holen, das Fest war zu Ende, ihre Herrin wollte ausgekleidet und ihr Bett musste gerichtet werden.
Nora saß dann auch schon vor ihrem Frisiertisch, als Máanu hereinkam. Und wieder einmal mussten Herrin und Dienerin ihre Erregung voreinander verbergen, als Máanu Nora das Haar löste und sie endlich aus dem Korsett befreite. Nora überlegte, besser ihre Zofe oder ihren Stiefsohn auf das Gespräch, das sie auf der Treppe belauscht hatte anzusprechen. Natürlich hätte sie auch alles auf sich beruhen lassen können, aber sie war neugierig. Máanu und Doug hatten sich gestritten, aber sie waren auch vertraut miteinander – viel zu vertraut für Herrn und Sklavin. Und Akwasi hatte ebenfalls etwas damit zu tun – natürlich, sie waren alle unter Adweas sanfter Herrschaft in der Küche groß geworden. Nora hatte die herzliche Begrüßung zwischen der Köchin und Doug mitbekommen, sie musste mehr für ihn gewesen sein als einfach eine Kinderfrau. Und Akwasi sprach genauso gut Englisch wie Máanu – Nora fragte sich schon lange, warum sie im Haus diente, während man ihn auf die Felder geschickt hatte. Im Allgemeinen sah das den Pflanzern nicht ähnlich – aufgeweckte Sklavenkinder, die auf den Plantagen geboren waren und besser Englisch sprachen als ihre Eltern, wurden meistens als Hausdiener oder in den Pferdeställen eingesetzt. Auf die Felder schickte man Männer und manchmal auch Frauen aus Afrika.
Dann geschah aber etwas, das Noras Aufmerksamkeit zunächst von ihrem Stiefsohn und dessen Verhältnis zu den Sklaven ablenkte. Es war zwei Tage nach dem Fest, auch die letzten Gäste waren abgereist, und Doug und Elias waren nach Kingston geritten. Nora nutzte die Abwesenheit ihres Mannes, endlich mal wieder zum Strand zu reiten, und begab sich anschließend in die
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