Die Insel Der Tausend Quellen
windstillen Tag weiter um die Runde trieben. Die zerrissenen Stränge würden sie am Abend erneuern müssen, außerdem verhängte er eine Strafe von fünf Stockhieben.
Doug ließ seine Vorwürfe schweigend über sich ergehen, verwirrt und verärgert über den Unverstand seines Vaters. Er musste sich zwingen, sich darüber nicht bei Nora zu beklagen, deren Engagement für die Sklaven ihm längst aufgefallen war. Tatsächlich gefiel ihm die junge Frau seines Vaters immer besser; zu der unbestreitbaren körperlichen Anziehung kamen ihre Begeisterung für die Natur der Insel und ihre Bemühungen um ein gutes Verhältnis zu den Arbeitern. Ihr medizinisches Wissen imponierte ihm, und er wurde nicht müde, ihr zuzusehen, wenn sie sich am Morgen der Kranken annahm. Allerdings bot auch das wieder Zündstoff. Máanu und erstaunlicherweise auch Akwasi, der sich stets um die Frauen herum zu schaffen machte und dabei oft genug zu spät zur Arbeit kam, blitzten ihn böse an, wenn er Nora über die Schulter schaute, während die Aufseher versuchten, ihn als Zeugen dafür anzurufen, dass dieser oder jene Schwarze doch nicht so krank war, wie die Missis behauptete. Doug ergriff dann stets für Nora Partei, was bei ihr erstaunlicherweise keine Regung auszulösen schien, seine Beliebtheit bei den Aufsehern aber nicht gerade steigerte.
Immerhin merkte er bald, dass auch Nora den Trumans, McAllisters und allen vorweg ihrem Gatten Elias keinerlei Sympathie entgegenbrachte. Nach wie vor fragte er sich, warum das schöne und reiche Mädchen sich ausgerechnet für einen älteren Pflanzer aus Übersee entschieden hatte, aber Liebe stand sicher nicht dahinter. Doug erkannte Abscheu, manchmal fast etwas wie Hass in ihrem Blick, wenn sie wieder einmal einer Bestrafung von Sklaven beiwohnen musste, die ihr Gatte wie beiläufig verhängt hatte. Anschließend gab es zwischen den Ehepartnern fast immer hässliche Szenen, denn Nora bestand darauf, die Wunden der Männer und manchmal auch Frauen zu verbinden. Vor den Dienern beherrschte Elias sich eisern, aber beim Abendessen überschüttete er Nora mit Vorwürfen. Sie nahm sie gelassen hin – und tat weiterhin, was sie wollte.
Nora faszinierte Doug, aber sie war ihm ein Buch mit sieben Siegeln, zumal sie sich beharrlich weigerte, sich ihm zu öffnen. Jedes persönlichere Gespräch und die meisten gemeinsamen Unternehmungen wehrte sie ab. Doug verstand das nicht, aber er machte sich auch nicht die Mühe, irgendetwas zu forcieren. Schließlich würde es nur zu Komplikationen führen, wenn sie sich zu bald zu nahe kamen – und Komplikationen waren das Letzte, was er zurzeit brauchen konnte.
Nora ihrerseits empfand das Leben mit Elias’ Sohn immer mehr als einen Tanz auf dem Vulkan. Sie wusste aus eigener Erfahrung, wie schnell Elias Fortnam explodieren konnte, wenn es nicht nach seinem Kopf ging, und nun stand er zweifellos kurz vor einem massiven Ausbruch gegenüber seinem »ungeratenen« Sohn. Dabei fand Nora die Vorschläge vernünftig, die der junge Mann gelegentlich bei den Mahlzeiten anbrachte. So zum Beispiel, den Zuckerrohrsaft nicht in Fässer zu füllen und dann mühsam zum Kochhaus zu schaffen, sondern über eine Holzrinne direkt aus der Mühle dorthin zu leiten.
»Es dauert höchstens eine Woche, so was zu bauen, und dann geht alles viel schneller, spart Arbeitskraft …«
»Darum geht’s mal wieder, was?«, höhnte Elias. »Um den Schutz deiner lieben Neger, dass die sich mal bloß nicht überarbeiten! Am liebsten würdest du sie in Watte packen wie Nora ihre Kranken. Aber die macht sich ja wenigstens nützlich, viel weniger Ausfälle, seit sie das in die Hand genommen hat. Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen. Aber du …«
Nora konnte bei solchen Tiraden nur den Kopf sinken lassen und sich angelegentlich mit ihrem Essen beschäftigen. Sie hasste die schwelende Fehde zwischen Vater und Sohn, sie machte ihr die Mahlzeiten zuwider, die sie bisher stets gleichmütig über sich hatte ergehen lassen. Und sie hasste sich selbst dafür, dass sie Doug nicht unterstützte. Wobei es natürlich nichts genützt hätte. Im Gegenteil, Elias wäre nur noch wütender geworden und hätte dann auch Nora als Sklavenfreundin beschimpft. Dabei legitimierte sie ihre Hilfe für die Schwarzen immer noch mit dem Argument der Kaufmannstochter, wie Elias zwischen Stolz und Ironie zu sagen pflegte: Wenn die medizinische Versorgung besser war, starben weniger Sklaven und mussten nicht für teures Geld
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