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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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machen die Kerle unter sich aus. So mancher, der heute unter der Knute stöhnt, hat früher selbst fleißig Menschen gejagt und dann verkauft oder auf den eigenen Feldern für sich schuften lassen. Insofern könnten sie sich mit der Gefangenschaft abfinden – wenn wir ihnen nur nicht jede Lebensfreude rauben würden! Aber so wie mein Vater und die anderen es handhaben: keine Ehen, überhaupt kein offenes Zusammenleben von Mann und Frau, um Himmels willen keine Familien! Keine freie Zeit, keine Feste, keine Religion … Wenn die ihre Obeah-Zeremonien abhalten, oder wie man das nennt, ist das nachts, wenn der Backra schläft. Ist doch klar, dass sie dann tagsüber nur an Flucht denken! Man könnte das völlig anders machen. Wenn sie es gut hätten auf den Plantagen, dann … dann würden sie vielleicht freiwillig bleiben.«
    Nora bezweifelte das. Sie selbst hätte sich niemals mit Sklaverei abgefunden. Aber Dougs Konzept war auf jeden Fall besser als das seines Vaters. Und nun gewann auch ihre Neugierde wieder die Oberhand.
    »Was sind Obeah-Zeremonien?«, fragte sie.
    Doug zuckte die Achseln. »So was wie … Voodoo.«
    Nora runzelte die Stirn. Sie hatte dieses Wort zwar schon gehört und gelesen, wusste es aber nicht mit Inhalt zu füllen.
    »Die Leute versammeln sich und beschwören die Geister«, führte Doug aus.
    »Etwas wie … Schwarze Messen?«, erkundigte sich Nora entsetzt.
    Doug lachte. »Im weitesten Sinne. Aber ich glaube, sie schließen Gottvater, den Heiligen Geist und Jesus Christus dabei gar nicht aus. In Afrika beten sie wohl zu vielen Göttern und Geistern, da kommt es ihnen auf einen mehr oder weniger nicht an. Auf jeden Fall ist es ein wildes Spektakel.«
    »Warst du mal dabei?«, fragte Nora begierig.
    Ihr selbst grauste es vor der Gotteslästerung, aber andererseits zog der Gedanke an die Beschwörung von Geistern sie magisch an.
    Doug nickte, aber sein Gesicht umflorte sich dabei. »Als Kind … heimlich …«, sagte er schließlich. Dann stand er auf. »Wie auch immer, Nora, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du nicht mit mir ausreiten möchtest. Heute ist es vielleicht etwas spät, aber morgen, nachdem du die Sklaven verarztet hast? Wir haben ja wohl beide viel Zeit …« Er lächelte bitter. Nora kämpfte mit sich. »Natürlich nur sofern du … also wenn du wirklich möchtest. Wenn du … nichts Grundsätzliches gegen mich hast, warum auch immer …« Er wirkte plötzlich sehr jung und verletzlich.
    Nora schüttelte den Kopf. »Ich komme gern mit«, sagte sie entschlossen und kämpfte den Gedanken an Máanu nieder.
    Sie konnte ihre Entscheidungen nicht davon abhängig machen, was ihre Dienerin darüber dachte.

KAPITEL 5
    I n den nächsten Wochen verbrachten Nora und Doug viel Zeit miteinander. Und auch wenn Máanu stets ein abweisendes Gesicht machte, wenn ihre Herrin sie bat, ihr zum Ausritt das Haar aufzustecken oder sie für eine Fahrt nach Kingston herzurichten – Nora genoss seine Gesellschaft. Doug war ein guter Erzähler, was er mit seinem Vater gemeinsam hatte. Auch Elias hatte Nora schließlich am Anfang durch seine Berichte von Jamaika für sich eingenommen. Aber Doug verfolgte damit offensichtlich keinen Zweck, außer vielleicht, Nora zum Lachen zu bringen. Freimütig erzählte er von Heldentaten und grandiosen Reinfällen sowohl im Studium als auch auf seinen Reisen und unterhielt sie mit lebhaften Schilderungen von Festen und Spektakeln, von denen die brave Kaufmannstochter zwar gehört, die sie sich aber nie hatte vorstellen können.
    »Doch, doch, er ist prächtig, dieser Karneval in Venedig. Aber auch ein bisschen … dekadent, könnte man vielleicht sagen. Ein Kostümfest folgt dem anderen, und unter dem Schutz der Masken … Nun ja, es wird sehr … ausschweifend. Alles ist erlaubt, man tut, als wüsste man nicht, mit wem man da tändelt, und so kann einen der zugehörige Gatte auch kaum fordern. Und manchmal weiß man’s wirklich nicht – ich fand mich in der letzten Nacht in den Armen eines zierlichen Mädchens, aber als sie die Maske lüftete … Erspar mir die Einzelheiten …«
    Nora lachte. Sie wusste nicht, ob all die Abenteuer, von denen Doug sprach, wirklich passiert waren oder ob er sich die Geschichten nur ausdachte, aber das war ihr egal. Auf jeden Fall hatte sie sich lange nicht so jung und ausgelassen gefühlt wie beim Plaudern und Reiten mit ihrem Stiefsohn. Besonders Letzteres genoss sie, denn im Gegensatz zu seinem Vater – und den Reitknechten,

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