Die Insel Der Tausend Quellen
voraushatte – natürlich abgesehen davon, dass er der Sohn des Backras war, aber daran mochte Akwasi nicht denken. Lieber dachte er daran, wie oft er seinen damaligen Freund geschlagen hatte. Im Wettlauf, beim Ringen, sogar beim Rechnen! Es gab keine Disziplin, in der er sich nicht zutrauen würde, gegen Doug Fortnam anzukommen. Akwasi fand keinen Grund, weshalb Nora ihm den Sohn des Backras vorziehen sollte.
Natürlich gab es niemanden, dem er diese Gedanken anvertrauen konnte. Schließlich konnte er sich denken, was Mama Adwe, Hardy oder Toby dazu sagen würden. Nora war weiß, er war schwarz, sie war die Herrin, er ein Sklave … Aber wider alle Vernunft glaubte Akwasi daran, dass Liebe all diese Schranken überwinden konnte. Und er begehrte Nora mit jeder Faser seines Herzens. Wenn sie ihn nur halb so sehr lieben würde … und das würde sie, wenn sie ihn nur einmal ansehen würde wie einen Mann, wie einen starken Mann, der sie beschützen und um sie kämpfen konnte, der sie mit Kraft und Geschick lieben konnte. Sie musste doch längst genug haben von dem alten, schlaffen Körper des Backras! Und Doug … Nun, Akwasi war auch ihm überlegen. Nora musste ihn nur richtig ansehen.
Nora sah Akwasi allerdings niemals so an, wie er es sich erträumte. Im Grunde schaute sie stets freundlich über ihn hinweg, auch wenn sie ihn grüßte oder ein paar Worte mit ihm wechselte. Das musste sich ändern. Aber all seine Bemühungen, sich ihr zu präsentieren und seine Kraft und Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen, schlugen fehl. Schließlich sah Akwasi keine Möglichkeit mehr, Noras Zuneigung ohne Hilfe zu erringen. Seine eigene Attraktivität reichte nicht aus, er brauchte die Unterstützung der Geister.
Akwasi zitterte beim Gedanken an die Konsequenzen, wenn die Weißen ihn erwischten, aber schließlich entschied er sich, dass Nora das Risiko wert war. Er schlich sich bei Nacht aus seinem Quartier, wanderte zu den Ställen, bei jedem Geräusch aufschreckend, und öffnete möglichst lautlos den Verschlag der Hühner. Die Tiere hockten auf den Stangen, statt wie tagsüber in ihrem Auslauf herumzupicken. Das machte es einfacher. Mit klopfendem Herzen packte Akwasi eins der Hühner und stopfte das protestierende Tier in einen mitgebrachten Sack. Jetzt musste er es nur noch bis zum kommenden Tag versteckt halten, aber das sollte gelingen. Und dann konnte er sich an den Obeah-Mann wenden. Akwasi schlich sich aufatmend zurück in seine Hütte. Der erste Schritt war getan, er hatte ein Huhn.
Máanu träumte von Akwasi. Sie hatte ihn immer geliebt, aber jetzt, da ihr Verhältnis zu ihrer Missis abgekühlt war, sehnte sie sich noch mehr nach seiner Nähe. Dabei verstand sie nicht, warum er sie nicht endlich einmal küsste oder nachts an ihre Hütte klopfte. Schließlich sahen sie sich doch jeden Tag, und er suchte die Nähe zu ihr, da war sie sich sicher. Warum sonst riskierte er Peitschenhiebe, weil er länger bei ihr blieb und der Missis bei den Vorbereitungen zur Krankenpflege half ? Warum kam er in den Küchengarten, wenn die Missis mit Adwea verhandelte? Warum brachte er Máanu seltene Blumen und Kräuter, damit die Missis sie bestimmen und trocknen konnte? Máanu hegte keinerlei Zweifel daran, dass sich Akwasis Werbung an sie richtete. Aber sooft sie ihm auch signalisierte, dass sie bereit für ihn war – er nahm davon keine Notiz.
Letztendlich begann Máanu zu glauben, dass irgendetwas bei Akwasi nicht stimmte. Vielleicht war ein Geist in ihn gefahren, der seine Manneskraft lähmte oder der ihn blendete, wenn Máanu ihn anlächelte und mit schwingenden Hüften vor ihm herging. Laut Mama Adwe war so etwas möglich. Ein Mann konnte verzaubert werden, wobei meist eine andere Frau dahintersteckte.
»Aber wer sollte das denn sein?«, fragte sie verzweifelt.
Mama Adwe wies sie zum wiederholten Mal darauf hin, dass Akwasi vielleicht einfach eine andere liebe. Die Köchin war nicht unbegrenzt glücklich mit dem Wunsch ihrer Tochter, einen Feldsklaven zum Mann zu nehmen. Lieber wäre ihr einer der Pferdeburschen oder Hausdiener gewesen, dazu hätten womöglich sogar der Backra und sicher die Missis ihr Einverständnis gegeben. Bisher hatte Elias Fortnam zwar noch nie zwei seiner Sklaven verheiratet, aber Haussklaven hatten in der Regel eine sichere Stellung. Vielleicht ließ er sich ja diesmal dazu herab, ihnen eine gemeinsame Hütte zu schenken und ein kleines Fest auszurichten. Adwea träumte von einer solchen Hochzeit
Weitere Kostenlose Bücher