Die Insel Der Tausend Quellen
oder wollen. Vielleicht hatte auch jedes Land andere Geister. Kwadwo war jedenfalls bereit gewesen, das zu akzeptieren, und seit dem Tod seines Lehrers fungierte er als Obeah-Priester für die Sklaven der Fortnam-Pflanzung. Er hörte sich die Nöte der Menschen an, gab Ratschläge und versuchte sich als Mediziner, wobei er bei den Pferden mehr Erfolge feierte als bei den Sklaven. Im Grunde war Kwadwo froh, dass die Missis diesen Bereich übernommen hatte, ihm selbst lag das Zwiegespräch mit den Geistern weitaus mehr als das Anmischen von Tränken und Salben.
Dennoch war er nicht bereit, leichtfertig Rituale zu feiern, in denen er die Geister rief. Nach Kwadwos Erfahrungen konnte zu viel dabei schiefgehen, und das legte er jetzt auch dem Mädchen auseinander, das einen Sack mit einem empört gackernden Huhn darin vor ihm hinlegte und entschlossen die Durchführung eines Zaubers forderte.
»Die Geister sollen machen, dass Akwasi mich liebt!«
Die kleine Haussklavin nahm kein Blatt vor den Mund. Sie wusste, was sie wollte.
»Gar so einfach ist das nicht«, meinte Kwadwo. »Erzwingen lässt sich da nichts.«
»Du forderst ein Huhn, aber du gibst keine Garantien?«, fragte Máanu verärgert.
Kwadwo zuckte die Schultern. »Wir können das Ritual durchführen, es wird ohnehin Zeit, wir hatten lange keine Versammlung mehr, um die Geister zu beschwören. Und ich werde einen Duppy rufen, der deinen Hunger teilt. Er wird sich dir zugesellen, und wenn du es dann schaffst, nach der Zeremonie ein Treffen mit dem jungen Mann herbeizuführen, dann wird er seinen Körper besetzen. Der junge Mann wird vor Liebe brennen … zumindest eine Nacht.«
»Nur eine Nacht?«, fragte Máanu misstrauisch. Dafür hätte sie das Risiko mit dem Huhn nicht eingehen müssen. Eine Flache Zuckerrohrschnaps hätte höchstwahrscheinlich das gleiche Ergebnis erzielt. »Ich will, dass er mich ewig liebt – mit Geist und Körper.«
Kwadwo schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht versprechen, Mädchen. Ich kann nur einen liebeshungrigen Geist zwingen, in den Körper deines Freundes einzufahren und dich zu befriedigen. Aber ob er dort für immer Wohnung nimmt oder ob die Seele des Mannes dann selbst für dich entflammt, nachdem sein Körper deinen kennt, das wissen nur die Götter.«
Máanu seufzte. Das klang nicht allzu vielversprechend. Aber andererseits war es ja genau das, was sie wollte: Akwasi würde auf sie aufmerksam werden, er würde zumindest einmal ihre Liebe erfahren. Und sie würde alles tun, damit er sie niemals vergaß! Máanu würde das schaffen, sie musste es schaffen!
»Na schön«, erklärte sie sich schließlich einverstanden. »Wann können wir es machen?«
Kwadwo lächelte. »Am Samstag. Der Backra wird Samstag und Sonntag in Kingston sein. Die Missis allerdings nicht, es geht um einen Herrenabend oder etwas in der Art.«
Kwadwo wusste meist recht genau, was die Herrschaft plante. Als Stallmeister hörte er viel, und die Kutscher, die er aussuchte, vernahmen noch mehr. Vor allem aber sprach der Obeah-Mann ebenso gut Englisch wie Máanu und Akwasi – auch wenn er es sich vor den Weißen noch weniger anmerken ließ. Es blieb sein Geheimnis, wo er die Sprache gelernt hatte, und viele der Sklaven erfüllte es mit Ehrfurcht. Máanu überraschte es allerdings nicht sehr. Kwadwo war schon als Kind aus Afrika gekommen, er mochte im Haushalt seines ersten Backras aufgewachsen sein, und damals, als es noch weniger Sklaven auf Jamaika gegeben hatte, waren die Pflanzer längst nicht so streng gewesen. Außerdem hing der Obeah-Mann allsonntäglich an den Lippen des Christenpredigers. Er lauschte hingebungsvoll, wenn der Reverend aus der Bibel vorlas, und gehörte zu den wenigen, die ihm auch nach dem Gottesdienst noch zu Füßen saßen und Fragen stellten. Máanu fragte sich, ob das Berechnung war – niemals wäre jemand auf die Idee gekommen, der fromme Peter führe des Nachts Obeah-Rituale durch – oder ob es ihn wirklich interessierte. Kwadwo hätte Letzteres bestätigt: Alles, was die Götter und Geister anging, war wichtig für ihn, und gerade Gottvater und Jesus Christus schienen mächtige Geister zu sein.
»Die Missis ist kein Problem«, meinte Máanu. »Die spioniert nicht, und sie würde uns auch nicht verraten. Aber der junge Backra …«
»Der begleitet seinen Vater«, sagte Kwadwo. »Sie werden sich wieder nur streiten, aber der Backra kann ihn nicht ausschließen, ohne dass die anderen Fragen stellen. Bei diesem
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