Die Insel Der Tausend Quellen
Stimmung zwischen ihr und ihrer Dienerin zerrte an ihren Nerven.
»Warum schmeißt du sie denn nicht einfach raus?«, fragte Doug, als sie ihm zumindest in Andeutungen ihr Leid klagte. »Du kannst dir eine andere Zofe nehmen, wen kümmert’s?«
Nora blitzte ihn an. »So wie du Akwasi damals rausgeschmissen hast?«
»Das war etwas anderes«, sagte Doug gequält, aber dann schwieg er.
Nora hätte sich ohrfeigen können. Nun herrschte also auch noch schlechte Stimmung zwischen ihr und Elias’ Sohn.
Die gesamten Sommermonate dieses Jahres waren von schlechter Stimmung geprägt – zwischen Nora, Máanu und Akwasi, aber auch zwischen Doug und Elias. Dabei verstand Nora dies nicht, da Doug doch eigentlich genau das tat, wofür Elias ihn hatte ausbilden lassen. In Kingston war er als Advokat bald anerkannt – kein Mensch fragte nach einer Urkunde. Aber es war wohl wirklich so, wie er es am ersten Abend angedeutet hatte: Elias Fortnam hatte nie geplant, seinen Sohn zurück nach Jamaika zu holen – zumindest nicht zu seinen Lebzeiten. Vielleicht hatte er ja sogar die Hoffnung gehabt, mit Nora noch einen weiteren Erben zeugen zu können. Eine gemeinsame Leitung der Plantage erschien dem älteren Fortnam schlichtweg undenkbar.
»Ein Schiff hat nur einen Kapitän!«, erklärte er knapp, als Nora ihn mal darauf ansprach. »Und Doug hat nicht das Zeug, eine Plantage zu leiten, der Junge ist zu weich. Ein Niggerfreund. Ich hätte mir eher eine neue Frau nehmen sollen, es war falsch, den Knaben in der Küche aufwachsen zu lassen.«
Nora äußerte sich nicht dazu, dass eine Frau für Elias offenbar nichts anderes war als ein Mittel zum Zweck. Das hatte sie schließlich schon bei der Hochzeit gewusst, und sie war froh darüber, dass er sie inzwischen seit Monaten nicht mehr anrührte. Sie fragte sich dennoch manchmal, ob das mit ihrer Figur zusammenhing. Nora war nicht mehr ganz so zierlich wie als Neunzehnjährige. Sie war fraulicher geworden und muskulöser. Die regelmäßigen Wanderungen zu den Hütten, zum Strand und zur Badestelle im Dschungel kräftigten sie, sie schwamm und ritt. Dabei fand sie selbst, dass ihr das sehr gut stand, ihr fester, geschmeidiger Körper gefiel ihr. Elias schien sie nun allerdings in die Reihe der »fetten Kühe« einzuordnen, als die er die anderen Frauen der Pflanzer bezeichnete, wenn er nicht mehr ganz nüchtern war. Aber Nora konnte auch keine Geliebte unter den schwarzen Frauen ausmachen. Sie glaubte inzwischen, dass ihr Mann ein Bordell in Kingston besuchte, wenn er körperliches Begehren spürte.
Doug dagegen verschlang Nora mit den Augen, wenn sie gemeinsam ritten oder spazieren gingen. Es blieb auch nicht aus, dass sie sich zumindest in ihren Gesprächen wieder näherkamen. Sie brauchten beide jemanden, bei dem sie sich aussprechen konnten.
Die Streitereien zwischen Doug und Elias konzentrierten sich in diesen Monaten vor allem auf ein Thema, das Doug eines Tages nach einem Ritt nach Kingston zum ersten Mal zur Sprache brachte.
»Du musst mit Hollister reden«, meinte der junge Mann, als die Vorspeise serviert war. »Ich weiß zwar nicht, warum er das nicht selbst weiß, aber er ist ja bekanntlich nicht der Klügste. Jedenfalls rodet er Dschungel für neue Zuckerrohrfelder. Zwischen seinen Pflanzungen und dem Meer. Das geht nicht.«
Elias schnaubte. »Unser Lord muss selbst wissen, was er macht. Und ich kann’s nachvollziehen, sein Besitz reicht nicht weit ins Inland, und er will vergrößern. Das geht uns doch allen so.«
Die Zuckerpreise hielten sich weiter in schwindelerregender Höhe, und zudem stieg die Nachfrage. Der Tee hatte seinen Siegeszug in England endgültig angetreten, und bei keinem Teeservice fehlte die Zuckerdose. Seit neuerdings Teestuben in England eröffneten und zu regelrechten Frauentreffpunkten wurden – die früheren Coffeeshops waren immer den Männern vorbehalten gewesen –, erschloss sich das neue Getränk auch mittleren und ärmeren Schichten. Ungesüßt rührte es aber kaum jemand an – die Zuckerbarone triumphierten.
»Aber so nah am Meer bringt es doch nichts«, gab Doug zu bedenken. »Beim nächsten Hurrikan wird alles weggespült.«
»Ist denn damit zu rechnen?«, erkundigte sich Nora. »Solange ich hier bin, hatten wir noch gar keinen Wirbelsturm.«
»Freu dich …«, knurrte Elias.
Doug dagegen wirkte besorgt. »Eben«, meinte er. »Das geht schon viel zu lange gut. Früher oder später fegt da wieder was über uns hinweg. Auf jeden
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