Die Insel Der Tausend Quellen
abgefallen zu sein. Vielleicht betrog er Simons Geist mit Nora Fortnam, aber ganz sicher nicht seinen Vater.
Schließlich lag die junge Frau in seinen Armen, und beide ließen ihre Gedanken schweifen. »Bleibst du bei mir heute Nacht?«, fragte Nora.
Doug nickte. »Wenn du es dir wünschst. Ich muss nur fort sein, bevor Adwea kommt. Der bleibt in diesem Hause nichts verborgen. Und diesem Terry, dem Hausdiener meines Vaters, traue ich auch nicht. Der schleicht hier auch nachts mitunter umher. Und dabei dachte ich eigentlich, mein Vater ließe keinen der Schwarzen im Haus schlafen.«
Nora wunderte das ebenfalls. Sie hatte Máanu einige Male im Haus übernachten lassen, als das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Zofe noch besser gewesen war. Elias hatte das immer scharf gerügt.
Doug richtete sich jetzt auf und griff nach der Weinflasche, die er zuvor mit nach oben genommen hatte.
»Sie ist noch halb voll«, bemerkte er. »Also komm, Liebste. Gönnen wir uns noch einen Schlaftrunk.«
Nora sah ihm müßig zu, wie er die Gläser füllte – und spürte dabei ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen. Eigentlich war alles gut in dieser Nacht. Der Wein funkelte in den Pokalen, der Mond spiegelte sich darin … Aber dennoch kämpfte Nora plötzlich mit einer diffusen Angst. Ein Schlaftrunk. Sag Addy, sie soll mir später noch einen Schlaftrunk hinaufbringen lassen … War es wirklich nur Dougs zufällige Erwähnung des Wortes, das sie so oft aus Elias’ Mund gehört hatte? Oder war da etwas anderes? War da etwas, das sie längst hätte verstehen sollen, über das sie jedoch monatelang hinweggesehen und -gehört hatte?
Sag Addy, sie soll mir später noch einen Schlaftrunk hinaufbringen lassen … Elias hatte es an diesem Abend wieder gesagt. Und der Hausdiener hatte auf die Worte reagiert, indem er fast das Tablett fallen ließ. Und war der Satz so oder ähnlich nicht auch an dem Abend gefallen, bevor Sally ihre Fehlgeburt erlitt? Máanus Anspielung nach infolge eines weiteren Missbrauchs? Nora dachte an Adweas Widerspruch … Heute, Backra? Nora hatte sich darüber gewundert. Und dann Máanus heftiger Streit mit ihrer Mutter … Máanus Verschwinden … Und schließlich Elias’ übertriebene Reaktion darauf, dass Nora sich Mansah zur Zofe wünschte …
Noras Ahnungen verdichteten sich zu einer entsetzlichen Gewissheit. Unvermittelt griff sie nach Dougs Arm, ihre Nägel schlugen sich in sein Fleisch, fassungslos auf der Suche nach einem Halt.
»Doug, komm, wir müssen da einschreiten!«, sagte sie dann und wunderte sich darüber, wie sicher ihre Stimme klang. »Ich kann das jetzt nicht erklären … Aber wenn ich mich nicht sehr irre, tut dein Vater gerade Mansah etwas Schreckliches an.«
KAPITEL 7
N ora antwortete nicht auf Dougs verwirrte Nachfragen.
Sie warf sich nur ihren Morgenmantel über – plötzlich war es ihr egal, was Elias sagen würde, wenn sie so leicht bekleidet gemeinsam mit seinem Sohn erschien. Wenn sie Recht hatte, war von jetzt an sowieso alles anders. Und wenn sie nicht Recht hatte …
Doug schlüpfte schließlich in seine Kniehosen. Er verstand kein Wort, aber er begriff die Dringlichkeit hinter Noras seltsamem Verhalten. Und sie war ihm nie hysterisch oder verrückt erschienen, im Gegenteil, eigentlich kannte er sie als besonnene junge Frau. Nora entzündete eine Kerze.
»Komm!«, rief sie und riss ihn zur Tür.
Mit jedem ihrer Herzschläge, seit sie sich erinnert hatte, schien die Geschichte besser zusammenzupassen. Natürlich gab es keine Bastarde auf Cascarilla Gardens, obwohl Elias kein Interesse an seiner Frau zeigte! Die Mädchen, auf die er es abgesehen hatte, waren viel zu jung, um selbst Kinder auszutragen. Und war Elias’ Interesse an seiner sehr jungen Ehefrau nicht erst völlig erlahmt, als Nora weiblichere Formen annahm? Und diese Eheschließung – die Blicke der anderen Pflanzer und ihrer Frauen, die Nora in der ersten Zeit auf Jamaika irritiert hatten … Die Gesellschaft in Kingston musste darüber getuschelt haben, dass auf Cascarilla Gardens immer wieder Mädchen verschwanden. Elias war vor den Gerüchten geflohen. Und dann hatte sich diese Heirat ergeben …
»Wir hätten das längst sehen müssen!«, murmelte sie. »Wir waren blind, Doug. Und jetzt … Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«
Doug folgte ihr schließlich barfuß und mit bloßem Oberkörper. Nicht auszudenken, wenn sein Vater sie so auf dem Korridor ertappte. Und Nora schien die Räume ihres
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