Die Insel Der Tausend Quellen
benimm dich jetzt, geh in dein Zimmer und vergiss diese Nacht.«
»Damit du dir das nächste Mädchen holen kannst?«, höhnte Nora.
Sie spürte, dass der Degen in ihrer Hand ihr Mut machte, und Elias zeigte ja auch Bereitschaft, sie gehen zu lassen. Aber was sollte, was konnte sie jetzt tun? Sie würde mit Doug reden müssen, Elias hatte jedoch Recht: Die Polizei würde nicht einschreiten. Und selbst der gesellschaftliche Skandal würde sich in Grenzen halten. Im Grunde gab es nur eine Möglichkeit – Nora musste genau das tun, was Elias wollte. Bei ihm bleiben, sich ruhig verhalten und ihren Mann von jetzt an aufs Strengste kontrollieren. Sie konnte verhindern, dass er seinen dunklen Neigungen weiter nachging. Zumindest in ihrem Haus. Ob er andere Möglichkeiten finden würde, blieb dahingestellt, aber die Kinder ihrer eigenen Plantage konnte sie schützen. Nora schwindelte es bei dem Gedanken an jahrelange Wachsamkeit. Und bei den weiteren Konsequenzen dieser Entscheidung. Sie würde niemals mit Doug zusammen sein können. Niemals, unter keinen Umständen durfte sie Elias einen Scheidungsgrund liefern. Der Traum, mit Doug einfach fortzulaufen, war ausgeträumt. Aber erst einmal musste sie aus dem Zimmer …
Nora schob sich mit vorgehaltenem Degen langsam Richtung Tür, während sich Mansah an ihren Morgenrock klammerte. Sie zog ihr den leichten Überwurf dabei fast aus, worüber Elias anzüglich grinste.
Aber dann hörte sie ein Geräusch aus Elias’ Wohnraum. Jäh wurde die Tür aufgestoßen. Doug? Kam er womöglich zurück? Gefasst? Oder erst recht voller Mordlust? Aber die Stimme, die jetzt laut durch die Wohnung hallte, war keine männliche.
»Terry, du hinterhältiger mieser Verräter! Gib den Weg frei, oder ich hau dich in Stücke!«
Ein Schlag und ein darauffolgender, entsetzter Schmerzensschrei des Hausdieners bewiesen, dass Máanu ihre Drohung gleich wahrmachte. Der Schrei ebbte in einem Wimmern ab. Und dann geschah alles gleichzeitig. Während Terry unter weiteren Hieben mit der Machete eines der Maroons aufheulte, riss Máanu die Tür zu Elias’ Schlafzimmer auf.
Verwirrt schauten das Mädchen und Akwasi, der hinter ihm auftauchte, auf die Szene zwischen Elias und Nora.
»Sie, Missis?«, fragte Máanu verblüfft. »Sie … wussten?«
»Sie mich retten!«
Mansah fand ihre Stimme wieder, löste sich von Nora und rannte, vorbei an ihrem Peiniger, in die Arme der Schwester. Elias schien blitzartig zu begreifen, was vorging. Er warf einen verzweifelten Blick auf den Degen, aber den hielt Nora nach wie vor umklammert.
»Gib mir den Degen, Nora! Wirf ihn mir zu!«, rief er.
Nora beachtete ihn gar nicht.
»Erst seit heute Abend«, antwortete sie Máanu. »Es tut mir so leid. Aber … aber Mansah ist nichts geschehen …«
Akwasi sah, wie Elias, die helle Panik in den Augen, sich rückwärts in eine Ecke des Raumes bewegte. Oder zum Fenster? Er durfte nicht fliehen!
»Nun mach schon, Máanu, bring ihn um!«, rief Akwasi und wies auf den Backra. »Oder soll ich?«
Hinter ihm drängten die Maroons herein, unzweifelhaft gewillt, mit allen anwesenden Weißen und möglichen weiteren Haussklaven kurzen Prozess zu machen. Hinter ihnen lag Terry in seinem Blut.
Máanu sah Elias hasserfüllt an. »Hackt ihn in Stücke!«, wies sie ihre Leute an. »Ich weiß, es soll schnell gehen. Aber macht es nicht zu schnell!«
Nora verschloss ihre Augen vor dem, was Akwasi, die Maroons und Máanu mit Elias Fortnam taten. Sie hörte nur Mansahs entsetzte Weigerung, als sie von ihrer Schwester aufgefordert wurde, sich an der Metzelei zu beteiligen. Und nahm die Kleine in die Arme, als sie wieder zu ihr floh.
»Schau nicht hin, Mansah, nicht hinsehen. Und nicht hinhören …« Nora drückte das Mädchen an sich und vernahm fassungslos, wie Máanu ihrem Mann zwischen den Machetenhieben all die Gräueltaten vorhielt, die er einst an ihr begangen hatte. Máanu hatte also auch zu seinen Opfern gehört. Das erklärte alles. »Denk an was Schönes«, flüsterte Nora und hielt Mansah die Ohren zu. »Du musst dies vergessen, hörst du … Wir … wir müssen dies vergessen …«
Sie wiegte das Mädchen in den Armen, bis Elias’ letztes Wimmern verklang. Dann sah sie Máanu an. Die Hände ihrer Zofe waren blutbefleckt.
»Und jetzt, Máanu?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Bin ich die Nächste?«
Máanu hob ihr Messer.
»Nein!«, rief Akwasi. Er trug nur den Lendenschurz, in dem er geschlafen hatte, aber auch der
Weitere Kostenlose Bücher