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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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keine der beiden beherrschte. »Aber reden englisch mit Máanu. Und will lernen lesen. Máanu sagen, sie selbst nicht kann richtig, muss fragen Akwasi. Aber Granny nicht reden mit Akwasi, sie böse, weil Akwasi mitbringen Missis. Später wird müssen, meint Máanu, weil sie nicht kann lesen Vertrag.«
    »Einen Vertrag?«, fragte Nora, verwundert und wieder mal etwas hoffnungsvoll. »Die Maroons wollen Verträge mit den Backras schließen?«
    Mansah zuckte die Schultern. »Weiß nicht, Missis, Máanu sagt, Granny will nicht. Weil Vertrag immer heißen, Sklaven zurückschicken, wenn weggelaufen. Aber will wohl Cudjoe …«
    Cudjoe schien Nannys ältester Bruder zu sein. Nora hatte in Kingston gehört, dass er in den ersten Jahren die Raubzüge und Aufstände der Maroons initiiert hatte. Inzwischen saß er aber recht sicher im Saint James Parish, im Nordwesten der Insel. Vielleicht wollte er seinen Ort wirklich legalisieren …
    »Quao war bei ihm«, erzählte Mansah weiter. »Aber jetzt wieder da. Und streiten mit Nanny.«
    »Über einen Friedensschluss?«, fragte Nora.
    Mansah zuckte erneut die Schultern. Bei ihr wirkte Máanus charakteristische Geste aber nicht enervierend, sondern eher drollig.
    »Weiß nicht, Missis«, wiederholte sie. »Nanny und Quao sprechen fremde Sprache. Ashanti-Sprache. Máanu sagt, sie gern würde lernen. Lernen richtige Sprache von richtige Volk!«
    Nora schob sich das Haar aus dem Gesicht – woraufhin ihr Flechtwerk sofort wieder auseinanderfiel. Die Blätter waren einfach zu glatt, ohne einen Rahmen hielten sie nicht. Resigniert sah sie in Mansahs eifriges kleines Gesicht.
    »Máanu ist doch gar keine Ashanti«, bemerkte sie dann. »Soweit ich weiß, ist ihre Mutter Dogon. Und die Ashanti haben die Dogon seit Jahrhunderten versklavt. Was ist an ihrer Sprache also besser als an Englisch? Das du übrigens richtig sprechen solltest, Mansah. Es gibt keinen Grund dafür, zu reden wie ein kleines Baby, du hast jetzt keinen Backra mehr, der darauf besteht. Du bist frei. Versuch also, richtige Sätze zu bilden!«
    Die nächsten Stunden vergingen in beidseitigen Bemühungen. Nora kämpfte damit, eine Art Webrahmen zu erstellen, Mansah versuchte, korrekte Wendungen in Englisch zu formulieren. Letzteres verlief weitaus erfolgreicher als Ersteres. Nora wollte die Blätter schon verärgert einfach übereinanderstapeln, um des Nachts wenigstens etwas weicher zu liegen, als sie unerwarteten Besuch erhielten. Mansah versteckte sich sofort hinter Nora, als der Schatten eines Menschen auf sie fiel. Das tat sie schon den ganzen Nachmittag – schließlich kam eine Frau nach der anderen vorbei, um sich über Noras Ungeschick lustig zu machen.
    Mansah tat ihr Bestes, ihnen diesen Spaß zu verderben. Der Neuankömmling hatte jedoch keinen Blick für Noras Arbeit. Er musterte ungeniert die weiße Frau.
    »Du bist das also«, sagte der Mann schließlich. »Ich konnte es bis jetzt nicht glauben. Ich dachte, du wärst vielleicht Mulattin oder so was. Sehr weiß. Aber doch … doch keine weiße Missis …«
    Nora sah verärgert zu ihm auf. »Nun, dann willkommen zur Tierschau!«, bemerkte sie. »Wobei du nicht der Erste bist, vielleicht sollte Akwasi Geld dafür nehmen, dass er mich ausstellt.«
    Sie wusste, dass dies als ungehörig galt, aber sie gab die forschenden Blicke des Mannes ebenso offen zurück. Der Schwarze, der vor ihr stand, war eher klein, aber kräftig. Sein Gesicht war breit, die Augen ebenso durchdringend schwarz und blitzend wie die der Queen.
    »Von mir würde er keins kriegen, Missis, ich hab alles Recht der Welt, dich anzusehen. Ich bin Quao, der King.«
    Also Nannys Bruder. Natürlich, er sah ihr ähnlich, schien aber jünger zu sein.
    »Und? Gefalle ich dir?«, fragte Nora. »Oder soll ich erst die Zähne vorzeigen?«
    Auf Sklavenmärkten verlangte man das stets von der zweibeinigen Ware.
    Quao lachte. »Du solltest mich nicht beißen«, warnte er. »Aber sonst … Wenn ich ehrlich sein soll, gefällst du mir gar nicht. Du wirst hier nur ärger machen.«
    Nora schnaubte. »Ich habe mich nicht aufgedrängt«, sagte sie sarkastisch.
    Quao seufzte. »Aber irgendwas muss ja wohl gewesen sein zwischen dir und diesem Jungen, der dich so sehr liebt und so sehr hasst. Hast du ihn ermuntert? Bist du eine von diesen Weißen, die gern von etwas schwarzem Fleisch naschen?«
    Nora blitzte ihn an. »Ich habe nie …« Aber dann erinnerte sie sich an die Nacht der Obeah-Zeremonie und senkte den Blick.

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