Die Insel Der Tausend Quellen
zwischen Entzücken, Verwunderung und Angst entlockte, waren seine blauen Augen. Nun war Dedes Haut nicht so dunkel, dass dieses Erbe ihrer weißen Vorfahren wirklich verwirrend wirkte. Aber die meisten Frauen in Nanny Town hatten nie ein helläugiges Baby gesehen, und bei einigen Stämmen galt die Geburt eines solchen als schlechtes Omen.
»Unsinn!«, lachte allerdings Tolo und tat das Gerücht, hier sei womöglich ein Dämon geboren, mit einer Handbewegung ab. »Natürlich ist es schlecht, wenn eine schwarze Frau ein weißes Kind zur Welt bringt. Das kommt vor, es hat dann blaue oder auch mal rote Augen, ganz unheimlich. Und meistens lebt es nicht lange. Aber bei deinem kleinen Mädchen ist das ganz normal. Es wird schön aussehen, wenn es älter ist.«
»Sie könnten auch noch grün werden«, bemerkte Nora, um weiteren Gerüchten über sich geisterhaft verfärbende Babyaugen gleich vorzubeugen. »Ich selbst hatte auch blaue Augen, bis ich ein paar Monate alt war. Es heißt, alle weißen Kinder kommen mit blauen Augen zur Welt.«
Tolo nickte. »Deine Dede ist wunderschön und gänzlich normal – und es ist gut, dass sie ein Mädchen ist. Ein Mischlingskind hat es niemals leicht, aber ein schönes Mädchen hat es immer leichter als ein hässliches, und jedes Mischlingsmädchen hat es leichter als ein Mischlingsjunge.«
Nora war nicht überrascht, als Mansah gut drei Monate nach Deirdres Geburt wieder mal schluchzend vor ihrer Tür stand. Das Mädchen hatte erneut die Hütten getauscht, seit es Akwasi gefiel, Nora wieder mit seiner Gunst zu bedenken. Máanu war schließlich hochschwanger, während Nora sich von der Geburt ihrer Tochter erholt hatte und schöner war als je zuvor. Ihr Körper hatte sich inzwischen an ein Leben mit mehr Sonne und mehr Arbeit gewöhnt, und seit sie nicht mehr gequält und zu den schwersten Tätigkeiten gezwungen wurde, tat ihm das sogar gut. Nora war schlank und sehnig, aber nach der Geburt hatte sie fraulichere Formen angenommen. Zudem stillte sie, ihre Brüste waren voll und fest. Die beständige Sonne hatte ihrer Haut einen goldbraunen Ton verliehen, den die bunten Tücher noch unterstrichen, die sie nach Art der Afrikanerinnen um ihr helles Haar wand. Akwasi erregte ihr Anblick erneut, seine Wut auf Nora und Doug legte sich langsam. Sie hatte ihn betrogen, er hatte sich gerächt – aber nun war sie sein, mit Haut und Haar. Sie hatte sein Kind geboren.
Akwasi begann, etwas vorsichtiger mit Nora umzugehen. Das ging nicht so weit, dass er sie zärtlich liebte – nach wie vor hing er der Vorstellung an, eine tugendhafte Frau dürfte die Liebe nicht genießen –, aber er sprach doch freundlich mit ihr und schlug sie nicht wieder. Nora hasste und fürchtete die Nächte trotzdem, in denen er sie besuchte. Sie war fest entschlossen, ihm kein weiteres Kind zu gebären, sosehr sie Dede inzwischen auch liebte. Eine Phiole von Tolo lag stets unauffällig zwischen ihren selbst gebrauten Tränken und Salben. Beim geringsten Anzeichen einer Schwangerschaft würde sie von ihr Gebrauch machen.
Nora stieß Akwasi, der eben dabei war, in sie einzudringen, von sich, als sie ein Klopfen und Schluchzen an der Tür vernahm. Sie wehrte sich fast immer, er war daran gewöhnt, es zu ignorieren, und tat es auch jetzt.
»Hör auf, Akwasi!« Nora kämpfte mit aller Kraft, bemühte sich aber, nicht zu viel Lärm zu machen, um Dede nicht zu wecken. Das Kind hatte zum Glück einen festen Schlaf. »Du hörst doch, da ist was, und es klingt nach Mansah. Was ist mit Máanu? Sie müsste doch bald niederkommen. Womöglich …«
Sie stemmte sich hoch und hüllte sich rasch in ein Tuch, als Akwasi unwillig von ihr herunterrollte. Dann eilte sie zur Tür. Wie erwartet lehnte Mansah wimmernd an der Wand neben dem Eingang.
»Du musst kommen, Missis. Máanu … Máanu kriegt ihr Kind.«
Nora zog das Mädchen herein.
»Das ist doch schön, Mansah«, meinte sie beruhigend. »Hast du Nanny schon gerufen? Die wollte ihr beistehen. Und sie wohnt doch auch gleich nebenan.« Noras Hütte lag am Rand von Nanny Town, was Akwasi im Grunde nicht gefiel. Es war üblich, dass jede Frau eines Kriegers ihr eigenes Haus hatte, aber in afrikanischen Dörfern lagen die in der Regel nebeneinander. Die Rundhütten im Zentrum waren jedoch alle belegt, und Máanu dachte gar nicht daran, ihr privilegiertes Heim nah der Hütte der Queen gegen ein Sklavenhaus an der Peripherie der Siedlung einzutauschen.
»Nanny ist seit Stunden bei
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