Die Insel Der Tausend Quellen
keine große Hilfe gewesen, dachte Nora bitter, aber sie hoffte immerhin darauf, dass ihr auch María und ihre neuen Maroon-Vertrauten Elena und Sophia beistehen würden. Alle drei hatten Kinder und würden Komplikationen bestimmt rechtzeitig erkennen, um Mansah doch noch zu Tolo zu schicken.
Tatsächlich ging dann wirklich alles gut. Nora lag lange in den Wehen. Sie war von ihrer Natur her schmal gebaut, es dauerte, bis der Geburtskanal sich ausreichend weitete. Aber auch ihr Kind war zierlich, und es lag richtig. Nach zwölf schmerzhaften, aber nicht gänzlich unerträglichen Stunden, in denen María, Elena und Sophia Nora umsorgten, während Mansah schluchzend in der Ecke saß, rutschte ein kleines, rotgesichtiges Mädchen mit schwarzem Haar und hellbrauner Haut in die Hände Granny Nannys.
»Willkommen auf der Welt, und der Segen Onyames und aller Geister des Himmels und der Erde soll dich begleiten!«, begrüßte die Queen es liebevoll, rieb es ab und legte es Nora in die Arme. »Ein so schönes Kind, weiße Frau, es möge stark sein wie sein Vater und schön wie seine Mutter.«
Nora wusste inzwischen, dass die Ashanti der Meinung waren, der Vater gäbe seinem Kind den Geist und die Kraft, die Mutter das Fleisch. Letzteres galt mehr, die Kinder gehörten deshalb eher der Familie ihrer Mutter als der ihres Vaters; auch Königtum vererbte sich über die weibliche Linie.
Akwasi zeigte sich erwartungsgemäß nicht so begeistert, nahm seine Tochter aber pflichtgemäß an, trug sie aus der Hütte und hielt sie den Sternen entgegen.
»Sie wird Dede heißen«, verkündete er, »der Name meiner Mutter.«
Nora nahm dies kommentarlos hin, taufte das Kind jedoch am nächsten Tag auf den Namen Deirdre – wobei ihre dem Christentum nahestehenden Freundinnen lebhaft Anteil nahmen. Alle waren überzeugt davon, dieser Name stünde in der Bibel.
»Bringt sicher Glück!«, freute sich María und küsste das Baby. Die Frauen in Nanny Town gingen sehr liebevoll mit den Kindern um.
Nora empfand es schon als Glück, dass weder Akwasi noch Máanu Anstalten machten, ihr das Kind wegzunehmen. Sie hatte das befürchtet, schließlich war es auf Plantagen gang und gäbe, dass den schwarzen Frauen ihre Babys entzogen wurden. Zu Máanus hasserfülltem Rachefeldzug hätte es gepasst. Aber Akwasi hatte wohl gleich das Interesse verloren, als Nora ein Mädchen zur Welt brachte, und Máanu war ausreichend mit der Erwartung ihres eigenen Kindes beschäftigt. Sie versicherte Akwasi, dass sie ihm den erwünschten Sohn schenken würde.
»Es wird ein großes Kind werden«, prophezeite Nora der stolzen Máanu, als diese ihren Pflichtbesuch bei ihr und Dede absolvierte. Die junge Schwarze war wunderschön in ihren bunten afrikanischen Gewändern, die sie jetzt fast immer trug – während der Schwangerschaft waren sie viel bequemer als die Kleidung der Weißen. Máanu war nach wie vor sehr schlank und hielt sich königlich aufrecht, ihr Haar und ihre Haut glänzten, und ihr Bauch wölbte sich inzwischen weit vor, obwohl sie noch drei Monate bis zur Geburt des Kindes vor sich hatte. »Aber keine leichte Geburt«, fügte Nora hinzu. »Du solltest Nanny bitten, Tolo rechtzeitig herzuholen. Zumal du …« Sie errötete.
»Die Beschneidung behindert eine Geburt überhaupt nicht«, sagte Máanu böse. »Das hat Tolo mir versichert. Nanny wird mir beistehen, und mit ihr alle Geister der Ashanti und der Dogon.«
»Ich meinte weniger die Beschneidung.« Nora fiel es schwer, die Sache anzusprechen, aber sie hatte Sally noch vor Augen, und sie erinnerte sich an Tolos Bemerkung bei Máanus Beschneidung: Sie hat Kinder empfangen … Máanu hatte also Fehlgeburten gehabt, auch wenn sie nicht daran verblutet war. Aber Narben und Verwachsungen hatte sie sicher. »Du solltest Tolo wenigstens bitten, dich vor der Geburt anzusehen. Die Geister … Na ja, sie können sicher hilfreich sein, aber im Allgemeinen … Du hast früher doch auch gewusst, wie das ist.«
Nora dachte an Máanus zynische Bemerkungen über Glauben, Gebete und Gott.
»Ich werde Akwasis Sohn mithilfe der Queen zur Welt bringen«, sagte Máanu hoheitsvoll. »Und du wirst mir keine Angst machen, weiße Missis. Ich bin stark.«
Nora sagte nichts weiter dazu. Sie lenkte das Gespräch wieder auf Dede und dahin, wie niedlich sie war und wie kräftig sie an Noras Brüsten saugte. Das kleine Mädchen machte keinerlei Probleme, das Einzige, was auffällig war und allen Frauen gleich Ausrufe
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